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Kunst Kunst: Erste Werkschau zu Hermann Nitsch in Deutschland

Von Esteban Engel 29.11.2006, 13:22
Eine Besucherin geht am Mittwoch (29.11.2006) im Berliner Martin-Gropius-Bau an einer Kollage mit Fotos von einer Aktion des Künstlers Hermann Nitsch vorbei. (Foto: dpa)
Eine Besucherin geht am Mittwoch (29.11.2006) im Berliner Martin-Gropius-Bau an einer Kollage mit Fotos von einer Aktion des Künstlers Hermann Nitsch vorbei. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Leichen, Leiber und viel, viel Blut - wenn derWiener Performance-Künstler Hermann Nitsch auftritt, ist Protestnicht mehr fern. Seine Aktionen haben immer wieder Tierschützer auf den Plan gerufen und Gläubige wegen des Umgangs mit christlichenSymbolen gereizt. Mit einer großen Schau im Berliner Gropiusbau wirdvon diesem Donnerstag an (bis 22. Januar) erstmals in Deutschland dasGesamtwerk des Österreichers gezeigt, der in seiner Heimat zur festenKulturgröße avancierte und dort sogar Staatspreisträger ist.

Im Mittelpunkt der Berliner Schau steht das «Orgien MysterienTheater», an dem Nitsch bereits seit Ende der 50er Jahre arbeitet.Nitsch hat die Performance, die er seit 1971 auf seinem Schloss inPrinzendorf im Weinviertel zelebriert, zu einem Gesamtkunstwerk mitMalerei, Musik und Theater sowie liturgisch-religiösen Szenen zueinem Mysterienspiel verwoben.

So werden zu den «sakralen Festspielen» ganz in Weiß gekleideteTeilnehmer auf Holzkreuze gebunden, mit Tierblut überschüttet, inRindergedärme gewickelt. Nitsch interessiert dabei «der Umgang mitdem Mythos», die Ekstase aus Fleisch und Blut, die Erlösung durchSchönheit, wie der 68-Jährige bei der Vorstellung der Ausstellung inBerlin sagte. Nitsch will «das Fest zum Drama erweitern».

Die rituellem Opferhandlungen, die auf der Ausstellung mit Videosdokumentiert werden, die Tierschlachtungen und das Zerstampfen vonTomaten und Trauben erinnern an antike Volksfeste, an archaischeMythen, bei denen der Betrachter zuweilen einen flauen Magen bekommt.«Der Schmerz ist die Bedingung für Leben, Freude, Schönheit» sagtNitsch. Tatsächlich geht von dieser «Inszenierung von realenEreignissen» eine ursprüngliche Energie aus, die schon jüngereAktionskünstler wie Christoph Schlingensief oder Jonathan Meese zurNachahmung verleitet haben.

Der Künstler, in ein katholisches Milieu hineingeboren, schöpftdabei aus Kirchensymbolen und der Christus-Geschichte. «Die kenne ichschon seit meiner Kindheit», sagt er. Ob das «Existenzaltar»,Malarbeiten wie «Ölberg» oder «Brot und Wein» oder acht«Kreuzwegstationen» - für Nitsch hat «Kunstausübung viel mitReligionsausübung zu tun». Wie auf einem Seziertisch breitet Nitschauf Priestergewändern Instrumente der Medizin wie Skalpell undPinzette, neben liturgischen Gegenständen, Monstranzen und Kreuzenaus.

Zur Retrospektive, die vom Verein der Freunde der NeuenNationalgalerie gefördert wird, gehören auch Partituren undZeichnungen sowie eine Fotodokumentation. Die Kuratorin BrittaSchmitz hat eine eigene Raumkonzeption entwickelt, um diegroßformatigen Werke zur Geltung zu bringen.