Kulturgut Kulturgut: «Politik muss bei Beutekunst in Russland aktiv werden»

Gotha/dpa. - «Es muss endlich auf politischer Seite Entscheidungengeben, egal ob Ausgleich, Rückgabe oder Schlusspunkt setzen», sagteder stellvertretende Generaldirektor der Stiftung PreußischerKulturbesitz Berlin, Günter Schauerte, am Montag bei einer Tagung zukriegsbedingt verlagertem Kulturgut in Gotha. «Der Anfang muss auf deutscher Seite gemacht werden.» Seit 15 bis 16 Jahren habe es vondort keine Signale gegeben.
Nach Angaben von Schauerte sollen nach dem Zweiten Weltkrieg etwa2,5 Millionen Kunstobjekte und Bücher aus Deutschland als Kriegsbeutein die Sowjetunion und an die anderen Siegermächte gegangen sein.Einzig Großbritannien sei dabei ausgeschert. Ein Großteil sei Mitteder 1950er Jahre mit der Anerkennung der DDR als «Akt derFreundschaft» von der Sowjetunion zurückgegeben worden, darunter dieDresdner Gemäldesammlungen mit der Sixtinischen Madonna von Raffael,aber auch die 330 000 Bände der einstigen Herzoglichen Bibliothek inGotha.
Mit dem Kolloquium erinnerte die Forschungsbibliothek an ihreWiederöffnung am 21. Mai vor 50 Jahren. Die heute zur UniversitätErfurt gehörende Einrichtung vermisst noch rund 30 000 Bücher. 4500waren schon in Kisten verpackt und sollten Mitte der 1990er Jahrenach Gotha kommen. Der Beschluss der russischen Duma, die alleKriegsbeute als Staatseigentum deklarierte, verhinderte dies.
Schauerte appellierte an deutsche Einrichtungen, den Kontakt zuEinrichtungen in Russland, der Ukraine oder anderen ehemaligenSowjetstaaten zu suchen. «Momentan geht nur etwas auf Arbeitsebene.»Ziel sei, in gemeinsamen Projekten Bestände zu sichern, zukatalogisieren und für die Öffentlichkeit per Internet oder inSonderausstellungen zugänglich zu machen. Als Beispiel nannte er dieMerowinger Ausstellung in Moskau. Unter den 1200 Exponaten seien auchKriegsbeute-Stücke aus Berlin.
Allein die Verlustliste der Berliner Museen umfasst 180 000Sammlungsobjekte, darunter indische Skulpturen und antike Keramiken.Die Kunstsammlungen Dresden vermissen nach Angaben von Gilbert Lupferunter anderem 115 Objekte aus dem Grünen Gewölbe, 2000 Werke aus derSkulpturensammlung, 10 000 Stücke aus dem Kunstgewerblichen Museum,etwa 200 Objekte des Mathematisch-Physikalischen Salons sowie mehrals 500 Porzellane. Bei den Projekten in Russland «bewegen uns ineiner rechtlichen Grauzone», sagte der Leiter des Forschungsprojekteszur Geschichte der Staatlichen Kunstsammlungen 1918-1989. Auch dieBemühungen zur Rückführung von Kunstgut sei ein «mühseligesGeschäft».
Davon kann auch der Burghauptmann der Eisenacher Wartburg, GünterSchuchardt, ein Lied singen. Der Verbleib der 800 Stück zählendenRüstkammer, die als ein Schatz der Waffenschmiedekunst gilt, istvöllig offen. Kürzlich habe es neue Hoffnungen per E-Mail ausRussland gegeben, berichtete Schuchardt. Ein «Sergej» habe Bilder vonzwei Rüstungen geschickt, die für eine Ausstellung restauriert wordenseien. «Wir konnten sie als Eisenacher Stücke identifizieren», sagteSchuchardt. Sie sollen zu der mittelalterlichen Rüstsammlung desnamentlich unbekannten Museums gehören. Den Mitarbeitern soll dieHerkunft der Sammlung unbekannt sein. Danach sei der Kontaktabgebrochen, umschrieb Schuchardt die Schwierigkeiten der Suche.