Kultur Kultur: Der Publizist und Historiker Joachim Fest ist gestorben
Frankfurt/Main/dpa. - Der Historiker, der als glänzender Feuilletonist undherausragender Publizist galt, starb nach Angaben der «FAZ» amMontagabend nach längerer Krankheit im Alter von 79 Jahren in seinemHaus in Kronberg im Taunus. Nach den Worten von Bundespräsident HorstKöhler verliert Deutschland mit Fest «einen Menschen, der alsJournalist, als Historiker und als Herausgeber jahrzehntelang diegeistige Kontur unseres Landes mitbestimmt hat». Auch zahlreicheandere Politiker, Historiker und Weggefährten würdigten FestsLebenswerk.
Wenige Wochen vor seinem Tod hatte sich Fest noch mit Günter Grassauseinandergesetzt. Das späte Bekenntnis des Literatur-Nobelpreisträgers, in jungen Jahren Mitglied der Waffen-SS gewesen zusein, nannte Fest eine «schrille Lebenslüge». Fest hielt Grass vor,sich jahrzehntelang moralisch aufgespielt und Mitmenschen gnadenloskritisiert zu haben.
Noch kurz vor seinem Tod hat Fest seine Memoiren geschrieben. Inden Erinnerungen an seine Kindheit und Familie beschreibt Fest unterdem Titel «Ich nicht» (Rowohlt), dass es in der Hitler-Zeit möglichwar, sich dem Zeitgeist zu widersetzen. Das Buch kommt am 18.September, eine Woche nach seinem Tod, in den Handel. Fest, der am 8.Dezember 80 Jahre alt geworden wäre, hinterlässt eine Frau und zweierwachsene Söhne. Einer von ihnen ist der Rowohlt-Verleger AlexanderFest.
Neben der Hitler-Biografie, die 1973 zum Bestseller wurde,veröffentlichte Fest zahlreiche weitere Bücher zur NS-Zeit. Für seinWerk erhielt er zahlreiche Preise, darunter den Henri-Nannen-Preis(2006), den Ludwig-Börne-Preis (1996) und den Lübecker Thomas-Mann-Preis (1981). Umstritten blieb Fests 1999 erschienene Biografie zuHitlers Rüstungsminister und Chefarchitekten Albert Speer, dem Festin den 60er Jahren nach dessen Haftentlassung auch bei der Verfassungseiner Memoiren geholfen hatte. Neueren Forschungen zufolge räumteFest ein, von Speer über seine Rolle in der Nazi-Zeit belogen wordenzu sein.
Joachim Fest entstammt einer bildungsbürgerlichen Familie. Erwurde 1926 in Berlin als Sohn eines Oberschulrats geboren. Nach demStudium in Freiburg, Frankfurt und Berlin war Fest Redakteur beimRIAS Berlin, ehe er 1961 als Chefdramaturg zum NDR nach Hamburg ging.In den 1960er Jahren leitete Fest beim NDR das Politmagazin«Panorama», von 1963 bis 1968 war er NDR-Chefredakteur.
Bevor er 1973 zur «FAZ» kam, machte er als CDU-Abgeordneter inBerlin-Neukölln einen Kurzausflug in die Politik. Bei der «FAZ» warFest bis Ende 1993 zwei Jahrzehnte lang als Mitherausgeber für dasFeuilleton zuständig. Fests Nachfolger Frank Schirrmacher bezeichneteden Publizisten als «ein absolutes Vorbild in jeder Beziehung». «Erhat meisterhafte, ja bahnbrechende Analysen des Psychogramms derTäter des Nationalsozialismus' geliefert, die vor ihm immer alsDämonen geschildert wurden», sagte Schirrmacher im Südwestrundfunk(SWR 2).
Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki bedauerte, dass es nichtmehr zu einem Gespräch mit Fest über ihre unterschiedlichenStandpunkte im «Historikerstreit» - der Frage der Gewichtung derJudenvernichtung in der deutschen Geschichte - gekommen sei. «Ichhabe ihn noch zuletzt um ein Gespräch gebeten. Es ist nicht dazugekommen», sagte Reich-Ranicki der dpa.
Bundestagspräsident Norbert Lammert würdigte Fest als «engagiertenWissenschaftler und glänzenden Feuilletonisten», der sich Zeit seinesLebens «um eine aufrichtige Aufarbeitung der schwierigen deutschenGeschichte verdient gemacht hat». Er habe zu den einflussreichstenHistorikern und Journalisten der Bundesrepublik gehört, schriebLammert in seinem Kondolenzbrief an die Witwe Ingrid Fest.
Mit Fest hat die deutsche Publizistik nach den Worten vonKulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) «einen ihrer geistreichstenund wortmächtigsten Vertreter» verloren. Er sei ein Bildungsbürger imbesten Sinne gewesen und habe das intellektuelle Profil derBundesrepublik in politisch bewegten Zeiten entscheidend geprägt,schrieb der Staatsminister in seinem Nachruf.
Der Frankfurter Historiker Lothar Gall nannte Fest eine «zentraleFigur» für die deutsche Geschichtswissenschaft. «Er hat durch seinen"Hitler" und eine Reihe von anderen Studien das Fach weitvorangebracht», sagte Gall. «Er hat immer gesehen, dass er für eingroßes Publikum schreibt, aber gleichzeitig auf einer absolutseriösen Basis.»
Der Historiker Hans Mommsen sagte, Fest habe mit seiner Hitler-Biografie einen grundlegenden Beitrag geleistet. Zur Rolle von Speerhabe Fest jedoch eine «isolierte Meinung» vertreten. MommsensBerliner Historikerkollege Arnulf Baring bezeichnete Fest als eine«außerordentlich bedeutende Persönlichkeit des bürgerlichenDeutschland». «Er war ein Repräsentant des bürgerlichen Zeitalters»,dessen Verschwinden er so sehr beklagt habe, sagte Baring.