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Kritik zu "Borowski und der Himmel über Kiel" Kritik zu "Borowski und der Himmel über Kiel": Ein Tatort ganz im Crystal-Rausch

Von Anne Burgmer 25.01.2015, 14:28
Stark: Die 20-jährige Schauspielerin Elisa Schlott (l.) in ihrer Rolle der Rita Holbeck und Joel Basman als Mike Nickel im neuen Kieler Tatort
Stark: Die 20-jährige Schauspielerin Elisa Schlott (l.) in ihrer Rolle der Rita Holbeck und Joel Basman als Mike Nickel im neuen Kieler Tatort dpa Lizenz

Der Fall

In der Nähe von Mundsforde, einem kleinen Dorf bei Kiel, wird der abgetrennte Kopf eines jungen Mannes gefunden. Die Kommissare Klaus Borowski (Axel Milberg) und Sarah Brandt (Sibel Kekilli) ermitteln, dass Mike Crystal Meth abhängig war. Rita (Elisa Schlott), die Freundin des Verstorbenen, erzählt den Kommissaren von gemeinsamen Drogenexzessen. Sie ist seit kurzem clean, verheimlicht aber etwas. Borowski erinnert Rita an seine Tochter Carla. Er setzt sie unter Druck, verspricht ihr, sie zu schützen. Doch er kann sein Versprechen nicht halten.

Die Auflösung

Harald Wagner (Alexander Finkenwirth), ebenfalls abhängiger Freund von Rita und Mike, hat seinen Kumpel angeblich aus Notwehr im Drogenrausch erschlagen. Vorher waren die beiden mit einer jungen Dänin unterwegs, die Mike laut Haralds Aussage getötet hatte. Den Kopf hakte er seinem Freund ab, weil er es nicht ertragen konnte, wie dessen tote Augen ihn anstarrten.

Ist der Fall realistisch?

Schwer zu sagen. Ein Kaff im Norden voller Crystal Meth abhängiger Bauern ist eine merkwürdige Vorstellung. Andererseits sagt Drehbuchautor Rolf Basedow, der Auslöser diesen „Tatort“ zu schreiben, sei der Artikel über ein Dorf im Erzgebirge gewesen, in dem fast jeder von der Droge abhängig ist. Und er hat ausführlich recherchiert: „Ich war in einer Therapieeinrichtung im Erzgebirge. Dort haben mir  Betroffene und ein Therapeut wichtige Einblicke in Suchtkarrieren gegeben und ich habe etwas über die Therapie erfahren. Im Wesentlichen ging es darum zu erfahren, wie sich die Sucht anfühlt, wie sich das Denken, das Fühlen und die Wahrnehmung verändern.“ Seine Charaktere sind natürlich etwas überzeichnet, aber vielleicht ist ein solcher Fall also tatsächlich möglich.

Die Entdeckung dieses „Tatorts“

Dieser „Tatort“ konzentriert sich ganz auf die junge Rita. Und das war eine gewagte Entscheidung, denn von der Leistung der Darstellerin hängt der gesamte Film ab. Die 20 Jahre alte Elisa Schott meistert diese Herausforderung eindrucksvoll. In ihrem Gesicht spiegeln sich die Verzweiflung nach Mikes Tod und die Erkenntnis, was die Droge aus ihnen gemacht hat. Aber eben auch der Rausch, die Ekstase und die immer noch in ihr schlummernde Sehnsucht danach, dieses Gefühl wieder zu erleben.

Fazit

„Ich wollte von Menschen erzählen, die der Droge verfallen sind“, sagt Autor Rolf Basedow. Und deshalb konzentriert er sich in seinem Drehbuch darauf, den Konsum und seine Folgen zu zeigen. Herstellung und Verkauf spielen nur am Rande eine Rolle. Eine gute Entscheidung. Vor allem verzichtet Basedow glücklicherweise darauf, mit erhobenem Zeigefinger auf die Zuschauer einzuwirken. Das "geilste Gefühle“ der Welt nennt Rita den Moment des Rauschs. Wie gefährlich diese Droge ist, wird auch ohne moralische Appelle klar. Regisseur Christian Schwochow hat Ritas Erinnerungen in den Rückblenden treffend inszeniert. Mitunter mutet er dem Zuschauer drastische Bilder zu, doch er zeigt nicht alles. Als die beiden Dealer Rita im Auto vergewaltigen, entstehen die schlimmsten Bilder im Kopf der Zuschauer.

Spannend bleibt auch das Zusammenspiel von Borowski und Sarah Brandt. Weil der Kommissar in Rita seine verlorene Tochter sieht, muss seine Kollegin den rationalen Part übernehmen.  Manchmal ist sie ruppig und ungeduldig, doch es wird deutlich, dass sie erwachsener geworden ist und sich gegen den älteren Kollegen behaupten will. Dieses  Ermittler-Duo hat viel Potenzial, sich weiterhin in eine spannende Richtung zu entwickeln.