Kriminalroman Kriminalroman: «Verschwiegene Kanäle» wird Donna Leons neuer Bestseller
Zürich/dpa. - Mit «Verschwiegene Kanäle» bringt sie nun bereits den zwölften Fall des liebenswerten Verbrecherjägers auf den Markt. Brunetti-Fans werden es ihr danken und die, die noch keine Anhänger sind, werden vielleicht jetzt welche. Denn nach einigen schwächeren Büchern mit ihrem Helden aus Venedig ist ihr nun wieder ein sehr spannendes und lesenswertes Werk geglückt.
Brunetti wird diesmal in die elitäre Militärakademie von San Martino gerufen. Denn dort war im Waschraum der sechzehnjährige Kadett Ernesto Moro erhängt aufgefunden worden. Als der Commissario klären will, welchen Grund der Junge so alt wie sein eigener Sohn Raffi für einen Selbstmord gehabt haben mag, stößt er auf beharrliches Schweigen. Ihm begegnen ausweichende Lehrer und überhebliche, fast feindselige Mitschüler, die den Toten nicht mal mehr gekannt haben wollen. «Keinem ist irgend etwas aufgefallen, und alle beteuern, dass er ein prächtiger, ein ganz prächtiger Junge gewesen sei.» Selbst Familie Moro reagiert zurückhaltend, scheint in ihrem Schmerz nicht an der Lösung des Falls interessiert. Brunetti hat also eine harte Nuss zu knacken - zumal ihm auch sein Chef das Leben schwer macht und die Ermittlungen behindert.
An Selbstmord mag Brunetti nicht glauben: «Ich verstehe nicht, warum ein Junge wie der sich umbringen wollte. Es ergibt überhaupt keinen Sinn.» So beginnt er tapfer und starrköpfig, wie er nun mal ist, das Knäuel aus undurchdringlichem Filz, geheimem Ehrenkodex und längst überholten Ansichten von Männerbünden zu entwirren. Leicht hat er es dabei nicht: «Ich habe ein ungutes Gefühl (...) Keiner hat mir die Wahrheit gesagt, ohne dass ich herausgekriegt hätte, warum die Leute lügen.» Halt in diesem verworrenen Fall findet Brunetti wie immer im Schoß seiner Familie. Wahre Wunder wirken zudem «Guglielmos Suppe», die ihm seine Frau Paola serviert: «'Zwölf Knoblauchzehen', flüstert sie in einem Ton, der an Ehrfurcht grenzt.» So gestärkt kann er sich wieder an die Arbeit machen.
Nach und nach deckt er auf, warum Ernesto sterben musste - und wie dessen Vater, einst ein unbestechlicher, unerschrockener und grundehrlicher Politiker, darin verstrickt ist. Trotzdem scheint der Commissario wenige Seiten vor Schluss zu verzweifeln: «(Er) fuhr herum und trat mit voller Wucht gegen die Tür. Aber weder der laute Krach noch der Schmerz in seinem Rücken bewirkten etwas, und er musste sich damit abfinden, daß er nichts tun, nichts mehr ändern konnte, so schmerzlich das auch war.»
In «Verschwiegene Kanäle» beweist Leon erneut ihre literarische Kunstfertigkeit, knifflige und spannende Krimis zu schreiben. Die Autorin dröselt in diesem über 330 Seiten langen Buch nicht nur schlüssig die komplizierten Familienbande des Opfers auf, sondern beschwört auch gekonnt die beklemmende Atmosphäre um militärischen Drill, Macht und Machenschaften herauf. Auch sind die Charaktere ihrer Figuren stets liebevoll ausgeleuchtet, ohne dem Leser alles bis ins Detail zu verraten.
Neben der Verfilmung von Donna Leons «Sanft entschlafen» laufen seit Herbst für die ARD auch die Dreharbeiten von «Verschwiegene Kanäle». Die Ausstrahlung der beiden Krimis mit Uwe Kockisch als Commissario Brunetti ist für das kommende Jahr geplant.
Donna Leon
Verschwiegene Kanäle. Commissario Brunettis zwölfter Fall
Diogenes Verlag, Zürich
331 S. Euro 19,90
ISBN 3-257-06390-3