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Krimi Krimi: Abschied von der Landidylle

Von Ulrike Cordes 30.05.2006, 09:56
Die Schriftstellerin Patricia Jean Lambrecht (vorn) und Traci TeAmo Lambrecht posieren auf der Veranda ihres alten Farmhauses in Minneapolis (Foto vom Mai 2006). Die 60-jährige Patricia schreibt gemeinsam mit ihrer 39-jährigen Tochter Traci unter dem Pseudonym P.J. Tracy international erfolgreiche Kriminalromane. Das Vorbild zu ihrem neuen Krimi "Mortifer" liegt unweit der idyllischen Lambrecht-Farm. (Foto: dpa)
Die Schriftstellerin Patricia Jean Lambrecht (vorn) und Traci TeAmo Lambrecht posieren auf der Veranda ihres alten Farmhauses in Minneapolis (Foto vom Mai 2006). Die 60-jährige Patricia schreibt gemeinsam mit ihrer 39-jährigen Tochter Traci unter dem Pseudonym P.J. Tracy international erfolgreiche Kriminalromane. Das Vorbild zu ihrem neuen Krimi "Mortifer" liegt unweit der idyllischen Lambrecht-Farm. (Foto: dpa) dpa

Reinbek/Minneapolis/dpa. - Orte heißen Lindström oder auch New Ulm, wo Bier gebrautwird. Robust aussehende Menschen pflegen die Gemeinschaft. «Hierbesitzt jeder ein Gewehr», berichtet Patricia Jean Lambrecht in ihremalten Farmhaus, «denn hier wird gejagt. Doch Mord ist ein äußerstseltenes Ereignis.»

Die quirlige 60-Jährige mit den hellwachen braunen Augen darf alsExpertin für die ursprünglich eher seltenen Verbrechen im Bundesstaatund dem angrenzenden Wisconsin gelten: Unter dem Pseudonym P.J. Tracyschreibt sie gemeinsam mit ihrer Tochter Traci TeAmo Lambrecht (39)international erfolgreiche Kriminalromane, die alle in der Regionspielen. Auch ihr neuer Krimi «Mortifer» (lateinisch für Todbringend) ist in einem Dorf in Wisconsin angesiedelt. Das Vorbilddazu liegt unweit der idyllischen Lambrecht-Farm.

«Mortifer» ist der dritte Band einer Vierer-Folge um die schrägen,der Polizei helfenden Mitglieder eines Computerclubs aus Minneapolis- die Großstadt ist 30 Meilen von der Farm entfernt. Wie bereits«Spiel unter Freunden» (2003) und «Der Köder» (2005) besticht auchder neue spannende Schmöker mit seiner Mischung aus makabren Untatenund skurrilen Typen, einer Prise politischer Unkorrektheit und jederMenge warmherzigen Humors.

Witzig geht es auch im Familienheim mit Blümchentapeten und altenMöbeln, Pferdebildern und Flügel zu. Unermüdlich werfen sich MutterP.J. und Tochter Traci die Wortbälle zu, spotten und kichern. P.J.szweiter Ehemann Ted, pensionierter Techniker, trägt es mit Fassung -und wendet sich dem Reparieren historischer Autos zu. «Sie istperfekt», sagt eine Co-Autorin augenzwinkernd über die andere - undbeide klingen so, als meinten sie das auch noch ernst. Beide liebendas Fabulieren seit früher Kindheit, jede begann mit eigenenVeröffentlichungen. Seit 17 Jahren schreiben sie zusammen.

«Irgendwann, so um 2001, langweilten uns unsere Kurzgeschichtenund Romanzen. Wir dachten: Schreiben wir doch mal über den Tod»,erzählen die attraktiven Krimi-Ladies. Dass Traci 2000 Meilenentfernt in Los Angeles lebt, ist kein Problem: Sind Plot und Figurennach langen Treffen auf der Farm erst einmal entwickelt, sorgen E-Mails und Telefon-Flatrate dafür, dass die eine das Kapitel deranderen lesen und diskutieren kann - um dann selbst das nächste zuschreiben. «Tracis Stärken sind Struktur, Dialoge und Pop-Kultur»,sagt P.J., «mir liegen eher Gefühle und detailreiche Beschreibungen».Streit gibt es, wen wundert's, angeblich nie.

Was macht den Tod für die Schriftstellerinnen so anziehend? Daraufantworten beide ernst: «Wir lachen zwar oft, reagieren aber auf allessehr emotional. Und die schrecklichen Seiten des Daseins gehen unsstark unter die Haut.» Sie seien zwar nicht religiös, beschäftigtensich aber intensiv mit Fragen nach Gut und Böse, den Motiven fürVerbrechen. Dazu passt, dass ein Vorfahr, der um 1800 als BlinderPassagier nach Amerika kam, angeblich ein in seiner deutschen Heimatverurteilter Mörder war.

Ihren Krimi-Stoff finden die Autorinnen gleich vor der Tür: «Dasländliche Amerika verändert sein Gesicht», meinen beide. Dazu gehörtnicht nur, dass immer mehr Bauernhöfe aufgeben und Menschen, die inMinneapolis oder in der Hauptstadt St. Paul arbeiten, ihre Häuser imGrünen bauen. Vor allem die Einwandererwellen aus Asien und Afrikasowie neue Sekten, die zum Teil schon an die Stelle der lange sowichtigen christlichen Glaubensgemeinschaften träten, veränderten dieNachbarschaft. «Schlimm sind rechtsradikale Vereinigungen aus"Losern", Verlierern der Gesellschaft, die ihre Aggression gegenSchwarze und Latinos richten», sagt Traci.

So verwundert es nicht, dass auch in «Mortifer» die Idylle bereitsauf den ersten Seiten erheblich gestört wird: Im Dörfchen FourCorners dürfen sich die Einwohner und die prächtigen Holsteiner Kühenämlich nur solange des Lebens freuen, bis ein ganz gewöhnlichaussehender, aber Tod bringender Milchlaster auftaucht. Schon baldstehen die Computerspezialistinnen Grace und Annie sowie FBI-AgentinSharon, alle von einer Wagenpanne in die Gegend verschlagen, voreinem gruseligen Rätsel. Doch statt im Dorf Hilfe zu finden, treffensie auf ein brutales Söldnerheer, das Jagd auf sie macht.

P.J. Tracy: MortiferRowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek389 S., Euro 8,90ISBN 3-499-24203-6