«Kraftwerk» «Kraftwerk»: Trampeln gegen das Trend-Peloton

Halle/MZ. - Doch unter der Trikolore, die das Cover schmückt,brodelt er nun wieder, der Elektro-Klang-Kamin.Kühl knallt die Trommel, akkurat zischen dieHi-Hats. "Tour de France", das ein Stück von1983 aufgreift, ist der Versuch der Stockhausen-Schüler,die große Frankreich-Rundfahrt zum Klingenzu bringen. Es gibt den "Proloque", die "Etape"und ein Stück handelt von "Aero Dynamik" -zum Leidwesen der Plattenfirma frickelte dieBand allerdings so lange an den Masterbändern,dass die Tour vorüber war, ehe das Album fertigwurde.
Hütter und Schneider aber sind zeitlos. Sieentdecken nach "Autobahn" und "Radioaktivität"jetzt die Faszination der Mensch-MaschineRadfahrer. Sehnen und Bänder treiben Kugellager,Muskeln und Hirn lenken Aluminium und Gummi,Vitamine und Glukose erzeugen Geschwindigkeit.Die Fortschrittspropheten kommen als Radwandererdaher.
Eine Stimme spricht unbewegt Mitteilungenwie "Perfection Mechanik Aero Dynamik MaterialTechnik", derweil die Festplatte Musik vonstadtplanartiger Übersichtlichkeit ausspuckt.Es sind nicht mehr die großen Menschheitsprobleme,die Kraftwerk in kalten Rhythmen besingen,sondern biochemische Prozesse. Auch sind dieVorreiter vergangener Tage nicht mehr dieMelodie-Magier, als die sie einst eine deutschePopmusik aus Marschrhythmus und Technologieerfanden: Das Dumdideldum von "Wir sind dieRoboter" eroberte die Charts, die stampfendeEinfalt von "The Model" verzauberte die Welt.
Auf "Tour de France" aber, in einer Art Substantiv-Französischbetextet, zelebrieren Kraftwerk nur noch Ornament-Kunstohne Kraft und Esprit. So sieht ihre Plattenfirmadie Kraftwerker zwar wieder im Gelben Trikotan der Spitze des Trend-Pelotons. Das aberfährt, angeführt von DJs und Techno-Produzenten,in Wirklichkeit längst in eine ganz andereRichtung.