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Konzert in Köln Konzert in Köln: Rihanna, die Königin des Pop

Von Christian Bos 27.06.2013, 16:44
Sängerin Rihanna in der Lanxess Arena in Köln
Sängerin Rihanna in der Lanxess Arena in Köln dpa Lizenz

Köln/MZ - Schreit meinen Namen. Toll, dass ihr alle gekommen seid. Cologne! Was Superstars so sagen, wenn sie arenaweit gute Laune verbreiten wollen. Rihanna weicht an diesen Mittwochabend keinen Zentimeter von solchen goldenen Standards ab. Nur einmal, als sie den Abschnitt ihres Konzertes einleitet, der sich mit den Fährnissen der Liebe auseinandersetzt, bellt sie schnoddrig einen inhaltsgesättigten Satz ins Mikrofon.

Kompliziert sei das mit der Liebe und Beziehungen, ach, die kanzelt Rihanna sehr pauschal mit dem amerikanischen Vulgarismus „fucked up“ ab. Ihr leuchtend rotes Kleid gibt den Blick auf ihr Unterbrust-Tattoo frei, die geflügelte Göttin Isis.

Seit ein paar Tagen liefert sich die Sängerin einen Schlagabtausch mit einer Kolumnistin der „Daily Mail“. Die hatte gegiftet, Rihanna sei ihren Fans ein fürchterliches Vorbild, propagiere Cannabis, Missbrauchsbeziehungen und ihre Kleiderwahl auf der Bühne lade zur Vergewaltigung ein. Für diese letzte Einschätzung sollte die Kollegin in der Hölle schmoren. Aber in einem hat sie recht, als Vorbild taugt Rihanna nicht.

Weshalb sie genau der richtige Popstar ist, für unsere Zeit, in der amerikanische Kongressabgeordnete Bilder von ihrem Penis twittern. Und Medien, nicht zuletzt die „Daily Mail“, die sich über solchen Sittenverfall echauffieren, kein Problem darin sahen, das Polizeifoto von Rihannas aufgequollenen, verletzten Gesicht abzudrucken, nach dem ihr damaliger Freund Chris Brown sie im Februar 2009 verprügelt hatte.

Spätestens seitdem verzichtet die heute 25-Jährige auf jede Fassade. Ihr aktuelles Album hat sie „Unapologetic“ genannt, herausgekommen ist es just, als viele öffentlichen Kommentatoren eine Entschuldigung oder wenigstens eine Erklärung von Rihanna forderten, denn sie hatte sich wieder mit dem Gewalttäter Chris Brown eingelassen – und mit ihm zusammen ein Lied namens „Nobody’s Business“ – „geht keinen was an“ eingesungen.

Den Schläger ist sie inzwischen wieder los, was uns dann doch beruhigt, auch wenn es uns überhaupt nichts angeht. „What Now“, die Ballade, die sie nach ihrer „fucked up“-Ansage anstimmt, könnte indes trauriger nicht sein. Da steht die Sängerin vorm Spiegel, kann nicht weinen, weil sie doch angeblich stärker geworden ist, kann keine Freunde anrufen, weil sie mit denen nur Spielchen spielt, und steht nun ganz allein vor 15.500 Menschen, die nach Aufforderung ihren Namen schreien. Was nun? Ein wenig geht das noch so weiter, mit dem gesungenen und getanzten Selbsthass: „Ich liebe es, wie du lügst“, stellt Rihanna fest, die gemeinsame Single mit Rap-Veteran Eminem war unfassbar erfolgreich. Kurz darauf legt sie die Liebe erst zu den Akten, erklärt dann, wie sie es hasse, einem ungenannten Boy liebend ausgeliefert zu sein.

Schließlich löst der hyperaktive Europop-Song „We Found Love“ den Gefühlsstau auf.  Gemeint ist freilich die Liebe zwischen Star und Publikum, die Rihanna im folgenden „S&M“ problematisiert oder auch schlicht aufheizt. Jetzt hat sie den Schritt in den Graben gewagt. Hunderte von Händen strecken sich nach der Ach-so-Nahen, während sie verkündet, dass Ketten und Peitschen sie aufgeilen. Ist es das, was die „Daily Mail“-Kolumnistin so verwerflich findet? Aber ist Rihannas unverhüllte Pop-Persona nicht viel angenehmer, als das knallbunte Kinderparadies, dass zum Beispiel Britney Spears Ende der 1990er Jahre inszenierte, bis zu ihrem unweigerlichen Zusammenbruch?

Playback, ohne die Lippen zu bewegen

Ein Beispiel: Im ersten, hektisch durchtanzten Teil des Konzertes, nutzt Rihanna eine Playback-Stimme. Die setzt heutzutage eigentlich jeder Pop-Künstler ein, der mit einer choreographierten Show durch die Arenen tourt. Aber Rihanna macht sich noch nicht mal die Mühe, ihre Lippen zum  Gesangstrack zu bewegen. Das grenzt an Unverschämtheit, wirkt aber auch äußerst souverän. Bei den folgenden Reggae- und Dancehallstücken setzt die Barbadierin ihre Stimme umso effektiver ein, fordernd, dunkel, schneidend klingt sie, wie gemacht, um in frisches Vinyl gefräst zu werden. Vor Rihanna war die kleine Karibikinsel Barbados ein weißer Fleck auf der musikalischen Landkarte, den meisten Deutschen wäre wahrscheinlich der Flippers-Schlager mit der roten Sonne eingefallen.

Sie trägt jetzt oberschenkelhohe weiße Lacklederstiefel und ein durchsichtiges schwarzes Hemdchen, darunter einen schwarzen Bikini, aber keinen, der skandalös geschnitten wäre. Die Verruchtheit ist doch eher Behauptung, so viel mehr als ein durchschnittliches Funkenmariechen zeigt Rihanna nun auch wieder nicht.

Und überhaupt, trotz Tänzerinnen, Kostümwechseln, trotz heb- und senkbarer Bühne, LED-Schirmen und Laserblitzen, eine gigantomanisch aufgeblasene Broadwayshow, wie man sie bei Lady Gaga erleben kann, verweigert Rihanna.

Es geht hier wirklich um die Musik. Ihre Alben mögen eher durchwachsen sein,  doch mit ihren massentauglichen und trotzdem irgendwie raffinierten Singles, ist Rihanna die aktuelle Königin des Pop, hält auch sämtliche Chartsrekorde.  Als letztes Stück singt sie „Diamonds“, ihr silberner Einteiler irisiert im Scheinwerferlicht. Sie ist selbst ein Diamant, innen hart, außen funkelnd.