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Konstanz Konstanz: Streit über Auftritt von Fischen an Theater

Von Erich Nyffenegger 07.10.2010, 11:47
Um diese Fischart dreht sich ein Streit: der Karpfen. Das Veterinäramt äußert Bedenken, diese Tiere als Requisite am Konstanzer Theater einzubringen. (FOTO: ARCHIV/DPA)
Um diese Fischart dreht sich ein Streit: der Karpfen. Das Veterinäramt äußert Bedenken, diese Tiere als Requisite am Konstanzer Theater einzubringen. (FOTO: ARCHIV/DPA) dpa-Zentralbild

KONSTANZ/DAPD. - Lachsforelle oder Karpfen? Das war lange Zeitdie Frage am Konstanzer Theater. Denn für seine Inszenierung vonGeorg Büchners "Woyzeck" in der musikalischen Bearbeitung von TomWaits wollte Regisseur Andrej Woron drei Fische in einem dreiKubikmeter großen Aquarium dramaturgisch einbauen. Doch statt zuentscheiden, welche Fischart einer solchen Situation am bestengewachsen ist, hat jetzt das Veterinäramt Radolfzell den Einsatz derFische überraschend verboten. Das Theater überlegt, juristischdagegen vorzugehen. Aber Zeit ist dafür nicht mehr viel, denn amSamstag, 9. Oktober, ist Premiere.

Fische gelten rechtlich als lebendige Requisiten und die sindgenehmigungspflichtig, wie Theatersprecherin Martina Krauserläutert. Zwei Beamte des Veterinäramts Radolfzell machten sich vorOrt ein Bild von den Lebensbedingungen der Fische. Das 3.000 Literfassende Aquarium ist nach Angaben des Theaters vorbildlich mitartgerechter Bepflanzung ausgestattet, Licht- undTemperaturverhältnisse seien möglichst nahe an den natürlichenLebensraum der Fische angepasst.

Am Samstag, 9. Oktober, eröffnet "Woyzeck" die neue Spielzeit.Das Stück bleibt bis Mitte November auf dem Spielplan. Solange sollauch das Aquarium samt Fischen fest auf der Bühne der Spiegelhalleinstalliert bleiben. Die meiste Zeit ist es verhüllt - nur in einerSchlüsselszene kommt es zum Vorschein.

Zwttl.: Komplexer Fragenkatalog zur Eignung von Fischen alsDarsteller

Genau darum haben sich zunächst die tiermedizinischen Fragengedreht: Welche Fische kommen mit der bisweilen arg kantigen Musikeines Tom Waits am besten klar? Wie reagieren Fische aufScheinwerferlicht? Haben Fische Lampenfieber? Welche Wirkung hatApplaus auf das Gemüt von Fischen. Und: Eignen sich behäbige Karpfenoder quirlige Forellen besser als Schauspielpartner des KonstanzerEnsembles?

Dass die Behörde den Einsatz der Fische, egal welcher Art, imletzten Moment noch untersagen würde, damit hat am Theater Konstanzniemand gerechnet. Intendant Christoph Nix ist sauer: "Das istabsurd! Bei einer Inszenierung der Berliner Schaubühne sind mehrereSchauspieler sogar in ein Aquarium mit Fischen hineingesprungen."Besonders ärgert Nix die Begründung des Veterinäramts. Darin heißtes, den Tieren werde Leid zugefügt. Licht- und Schalleinwirkungwürden eine Stresssituation schaffen, "die dem Aufeinandertreffenmit einem Fressfeind gleicht". "Da ist auch die Rede von einergewerbsmäßigen Zurschaustellung der Fische", erregt sich derIntendant. "Aber wir sind doch kein Zirkus!" Er beharrt auf dieKunstfreiheit, die es ihm mit der geboten Fürsorge für die Fischeerlaube, die Tiere in der Inszenierung einzusetzen.

Zwttl.: Theater will sich juristisch wehren

Das Theater will nun eine einstweilige Verfügung gegen dennegativen Bescheid der Behörde prüfen. Außerdem denkt Nix darübernach, sich über das Verbot hinweg zu setzen. "Aber ich möchte lieberjuristisch vorgehen und gewinnen." Eine dritte Möglichkeit - an dieNix gar nicht denken mag - wären Plastikfische. Zumindest so lange,bis die Sache mit der Behörde endgültig ausgefochten ist.

Das moralische Recht sieht das Theater jetzt schon auf seinerSeite. Die Tierschutzargumente des Veterinäramts sind für denIntendanten nur schwer zu ertragen: "Wenn die Fische auftretendürfen, dann haben Sie bis November ein schönes Leben am Theater.Wenn nicht, dann werden sie morgen geschlachtet. Was ist daranTierschutz?"

Aber egal, ob am Samstagabend nun Karpfen, Forellen oderPlastikfische ins Rampenlicht treten - eines sei unabhängig von derbehördlichen Genehmigung gewiss: "Wir hätten die Fische nach demletzten Vorhang im November nicht verspeist", versichert SprecherinKraus. Das gehöre sich nicht unter Schauspielerkollegen.