Komische Oper Berlin Komische Oper Berlin: Leonard Bernsteins "West Side Story"

berlin/MZ - Unter den Berliner Opernchefs hat Barrie Kosky im Moment einen Bonus. Als Intendant der Komischen Oper und als Regisseur. Dass er für seine erste Spielzeit den Titel „Opernhaus des Jahres“ nach Berlin geholt hat, ist einer klugen, originellen Programmpolitik des Intendanten zu verdanken, die sich auf die Stärken und Traditionen seines Hauses besinnt. Aber auch dem, was er als Regisseur selbst beigetragen hat.
Dass der Jubel nach der jüngsten Premiere seiner Inszenierung von Leonard Bernsteins „West Side Story“ noch größer ausfiel und durch keinen Einwand aus dem Saal getrübt wurde, liegt freilich auch am Genre Musical. Dessen Fangemeinde neigt zum Ausflippen. Es liegt aber auch an diesem Musterexemplar der Gattung, mit dem Bernstein 1957 einen Maßstab setzte.
Der von Shakespeares „Romeo und Julia“ übernommene und von der Fehde der großen Familien in Verona zum Konflikt der Straßengangs in New York umgemodelte Plot ist einfach. Aber nach wie vor wirkungsvoll. Sie können zusammen nicht kommen, weil es der Kodex der Cliquen und die Eigendynamik der Gewalt nicht zulassen. Am Ende bleibt unklar, ob die Toten von den Jets und den Sharks, die auf der Straße zurückbleiben, irgendetwas verändern.
Barrie Kosky, der kein Problem damit hat, eine große Bühnen-Show zu zelebrieren, lässt diesmal allen Milieu–Ausstattungszauber beiseite, stellt nur das Bett von Maria und einen Gemüsestand für den vergeblich die Stimme der Vernunft erhebenden Doc auf die Drehbühne, nutzt dafür aber reichlich die Beleuchtungsanlage samt Discokugeln. Ansonsten verlässt er sich auf die Kraft seiner Truppen.
Maria (Julia Giebel) und Tony (Tansel Akzeybek) fallen da zwangsläufig aus dem athletischen, mit nackten Muskeln protzenden Rahmen. Sie sind ja eh mehr für das Traumtänzerische zuständig. Das wird mit Ernst zelebriert, vermeidet gerade noch den Kitschverdacht und leitet das Ende mit dem sterbenden Tony und der verzweifelten Maria schlüssig ein.
Das Faszinierende des Abends aber ist die packende Wucht von Bernsteins Musik, die Koen Schoots aus dem Graben aufdonnern lässt. Faszinierend auch, wie Otto Pichler mit seiner Choreographie diese Kraft und Vitalität übersetzt. Das funktioniert für sich genommen fabelhaft. Der Funke springt nach jeder der Nummern aufs Publikum über. Doch spätestens, wenn man an der Übersetzungsanlage spielt und dabei auf das Angebot Türkisch kommt, fragt man sich, ob es nicht doch sinnvoll gewesen wäre, den Blick nicht nur nach New York, sondern auch nach Berlin-Neukölln zu richten. Die ideale Antwort auf das migrantenhintergründige „Was guckst du?“ könnte dann vielleicht „Muscial in der Komischen Oper“ lauten.
Nächste Vorstellungen Donnerstag um 19.30 Uhr, Sonntag um 19 Uhr