Knastkunst Knastkunst: Bremer Gefängnis stellt Skulpturen von Ex-Häftlingen aus

Bremen/dpa. - Sobald die Häftlinge den Meißel in die Handnehmen, treibt ihre Fantasie Blüten. In der Bildhauerwerkstatt derBremer Justizvollzugsanstalt (JVA) schält ein Insasse aus einemEichenstamm ein gigantisches Krokodil. Ein Junkie meißelt seineneigenen Grabstein. Seit Mittwoch zeigt der Verein «Mauern öffnen» sieben herausragende Skulpturen der Bildhauerwerkstatt in einemGrünstreifen hinter dem Gefängnis. «Die Gefangenen haben plötzlich einen positiven Platz in der Gesellschaft, in der sie sich bisherausgegrenzt gefühlt haben», sagte Hans-Henning Hoff, Vorstand desVereins «Mauern öffnen» zum Ausstellungs-Start.
1978 hat das Bremer Gefängnis zusammen mit der Hochschule fürbildende Künste Braunschweig das bundesweit einmaligeBildhaueratelier hinter Mauern eingerichtet. Anders als in anderenGefängnissen geht es bei dem Projekt nicht um Therapie, sondern umeine kreative Alternative zu Stücklohn-Beschäftigung auf demAnstaltsgelände. Weil die Bildhauerwerkstatt nicht von Beamten,sondern von Künstlern geleitet wird, entstehe ein besonderesVertrauensverhältnis zwischen Gefangenen und Betreuern, erläutertHoff. Während der Häftling ein Selbstbildnis modelliert, erklärt ihmeine der Künstlerinnen beiläufig, wie man ein Überweisungsformularausfüllt oder das Sorgerecht fürs eigene Kind durchboxt.
Wie ein alter Flugzeughangar steht das Atelier mit demWellblechdach im Schatten von Stacheldraht und Backsteingebäuden.Mitten zwischen den Skulpturen erzählt einer der acht Häftlinge, dasser froh ist, nicht mehr die «hohle Arbeit» in der JVA-Wäscherei zumachen: «In der Bildhauerwerkstatt kann ich in Ruhe über neuePerspektiven nachdenken, über den Weg weg vom Milieu, von Drogen undMethadon.» Einen anderen Insassen inspiriert die gestalterischeFreiheit: «Die Verwandlung eines Baumstammes in ein Kunstobjekt, dasmacht mir Spaß.»
Alle Männer in der Werkstatt sind wegen Drogenhandels,Aggressionsdelikten, Raub oder Körperverletzung zu mehreren JahrenHaft verurteilt. Mit Kunst hatten sie bisher nichts zu tun. Jetzttrainieren sie im Atelier Eigeninitiative und Konzentration. «Vielekommen hier verhuscht rein und gehen erhobenen Hauptes raus»,beobachtet Künstlerin Stefanie Supplieth.
Inzwischen sind Kunstwerke aus der Bildhauerwerkstatt der JVABremen an 45 Stellen in der Stadt aufgestellt. Auf Schulhöfen, inKrankenhäusern und Parks steht Knastkunst von teils überraschendhoher Qualität. In dem eben eingeweihten Grünstreifen hinter demGefängnis treffen Passanten auf einen Frauenakt mit Sonnenbrille undabstrakte Sandsteinplastiken, die an Objekte von Bildhauer HenryMoore erinnern.
Vom nächsten Jahr an will Hoff das erfolgreiche Kreativangebot miteiner «Nachsorge-Werkstatt» in der Bremer Innenstadt ergänzen. «Nachihrer Entlassung fallen viele Insassen in ein tiefes Loch und drohen,rückfällig zu werden», sagt er. Mit der Kunst will er solcheKandidaten rechtzeitig auffangen und auf den richtigen Weg bringen.