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Kluges «Kapital»-Kinofilm in Moskau uraufgeführt

26.06.2009, 12:59

Moskau/dpa. - Nach der regen deutschen Beteiligung beim Moskauer Internationalen Filmfestival im Vorjahr sorgte nun zumindest Alexander Kluge mit seiner Collage «Das Kapital» nach Karl Marx für Aufsehen in der russischen Hauptstadt.

Die Moskauer strömten in der einstigen Weltmetropole des Kommunismus am Donnerstag zu Dutzenden ins Festivalkino «Oktjabr». Selbst kam der 77-Jährige («Abschied von gestern», 1966) aber nicht zur Uraufführung der Kinofassung seiner zuvor im Suhrkamp Verlag erschienen zehnstündigen DVD-Edition. Von «banal und zu wenig Marx» bis «auch interessant» reichten die Reaktionen auf Kluges Filmessay, in dem Kulturgrößen wie Hans Magnus Enzensberger, Helge Schneider und Durs Grünbein zu Wort kommen.

Das noch bis Sonntag angesetzte Festival, immerhin wie Berlin und Cannes in der so genannten A-Klasse der internationalen Produzentenvereinigung FIAPF, bietet auch wegen der Finanzkrise kaum echte Glanzpunkte. Unter den rund 200 Filmen laufen 16 im Hauptwettbewerb. Klares Schwergewicht hier: die slawische Filmwelt und die Aufarbeitung des Kommunismus. Einziger deutschsprachiger Wettbewerbsbeitrag ist der Schweizer Film «Happy New Year» von Christoph Schaub, der im Stil eines Fernsehspiels mit Lokalkolorit die Geschichte mehrerer Menschen an einem Silvesterabend erzählt.

In den übrigen Beiträgen etwa aus Japan, Korea, Israel, dem Iran und den USA beherrschen Schicksale einzelner Menschen die Handlungen. Das aus tiefsten Sowjetzeiten stammenden Filmfestival sucht seit langem nach einem eigenen Profil. Internationale Trends und Erfolge finden Zuschauer eher in den vielen Retrospektiven und Beiprogrammen wieder. Zu sehen sind auch Filme wie «Antichrist» von Lars von Trier und der diesjährige Sieger von Cannes: «Das weiße Band» von Michael Haneke.

Überschattet wird Moskaus Filmreigen neben der Krise von einem seit Monaten andauernden Streit um Festivalchef Nikita Michalkow, den kremltreuen Patriarchen des russischen Kinos und Oscar-Preisträger von 1994 («Die Sonne, die uns täuscht»). Der 63-Jährige steht unter Druck, seit Kollegen ihn im Dezember als Chef des russischen Filmemacherverbandes stürzten. Zwar holte sich Michalkow den Vorsitz mit politischer Unterstützung zurück. Doch überschütten ihn seine Gegner seither mit Gerichtsklagen, die auch den Vorwurf der Veruntreuung von Verbandseigentum einschließen.

Am Rande des Festivals beschimpfte Michalkow, der sich selbst gern mal in der Rolle des Zaren besetzt, vor allem junge Regisseure als «unsägliche Nichtskönner». Im Wettbewerb kann sich nun vor allem Michalkows Anhänger Karen Schachnasarow, der Chef des größten russischen Filmstudios Mosfilm, mit einem Film nach Anton Tschechows «Krankenstation Nummer 6» Hoffnung auf einen Preis machen. Zur Michalkow-Fraktion gehört außerdem Jury-Präsident Pawel Lungin, der mit seinem auch in Cannes gezeigten Film «Zar» das Festival eröffnete und damit den vom Staat gewünschten Patriotismus in Russland bedient.

Moskaus Medien klagen offener als sonst während des Festivals über die Politisierung des russischen Filmgeschäfts. Sogar Programmchef Kirill Raslogow bedauert das «Kochen im eigenen Saft» und die geringe Außenwirkung. Es würden auch einfach nicht die für den Ruf eines Festivals wichtigen Leute hofiert, wie internationale Stars, Programmmacher, Juroren und Kinokritiker. «Bei uns geht es an erster Stelle um die Meinung des Kulturministers», sagte Raslogow in einem Interview mit der regierungskritischen Zeitung «Nowaja Gaseta».