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Kirchenoper Kirchenoper: Der Teufel rettet Luthers Tintenfass

Von Johannes Killyen 03.10.2004, 15:42

Wittenberg/MZ. - Für den Christen Kari Tikka - hier zugleich Dirigent des hervorragenden finnischen Ensembles - ist der "Todestanz" freilich nicht das Ende aller Hoffnung, sondern Eingeständnis menschlicher Schwäche. Und ein weiteres Kapitel in der langen Geschichte des Kampfes zwischen Gut und Böse, der nach lutherischer Überzeugung allein durch den Glauben und die Gnade Gottes gewonnen werden kann.

Dieser Kampf hat Luther, den Esa Ruuttunen zwischen Resignation und reformatorischer Urkraft pendeln lässt, ein Leben lang umgetrieben, er steht im Mittelpunkt der Oper. Zum Satan (fratzenhaft: Lassi Virtanen), der in mannigfaltiger Gestalt (als päpstlicher Theologe Eck oder Humanist Erasmus etwa) auftritt und damit zentraler Gegenpart ist, entwickelt Luther ein vielschichtiges, ja bisweilen inniges Verhältnis. Den Wurf mit dem Tintenfass verhindert der Leibhaftige ganz sanft: "Du brauchst es noch."

Dem Teufelsreigen, mit dem die Oper endet und beginnt, eine frohe Botschaft entgegen zu setzen, das überlässt Tikka Luthers Worten - doch heraussingen sollen es alle. Nach dem Gezeter der Massenszenen kehrt Stille ein, die Zuhörer setzen selbst an zum Choral: "Und ob (die Not) währt bis in die Nacht und wieder an den Morgen, doch soll mein Herz an Gottes Macht verzweifeln nicht noch sorgen." An dieser Stelle hebt der Komponist die Grenze zwischen Kunst und Religion auf, und es wird deutlich, dass "Luther" im Opernhaus fehl am Platze wäre. Andererseits gelten dramaturgische Gesetze auch für die Kirchen-Oper, und nicht immer beherzigt sie Kari Tikka.

Die opulenten Chortableaus etwa sind voll von theologischen Aussagen, die aus akustischen Gründen keine Chance haben. Dafür fasst der Finne den Disput, der hier Vorrang hat vor der Aktion, meist geschickt in Klang. Dann drängt seine Musik sich nicht auf, sondern ordnet sich willig dem Wort unter.

Stilistische Einheitlichkeit scheint weniger wichtig zu sein, Kari Tikka pflegt die an Orff geschulte Monumentalität ebenso wie Musical-Elemente und die gemäßigte Moderne. Entscheidender sind für ihn Wiederkehr und -erkennbarkeit seines Materials - das emotional durchaus beeindruckt und deshalb auch in Wittenberg von der überregionalen Zuhörergemeinde gefeiert wurde. Vielleicht nicht zum letzten Mal.