1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Kirche in Schmirma: Kirche in Schmirma: Völkers Deckenbilder wurden restauriert

Kirche in Schmirma Kirche in Schmirma: Völkers Deckenbilder wurden restauriert

Von günter kowa 16.10.2014, 13:39
Letzte Hand wird angelegt, damit alles bereit ist zur Feier der Bilder.
Letzte Hand wird angelegt, damit alles bereit ist zur Feier der Bilder. andreas stedtler Lizenz

schmirma - Doppelte Freude in Schmirma: Das Dorf abseits an einer gepflasterten Nebenstraße im Geiseltal, das 1921 die Kühnheit besaß, einem modernen Maler und erklärten Kommunisten die Ausmalung seiner Kirche zu überlassen, feiert am Freitag die Rückkehr dieser Werke nach fünf Jahren Restaurierung und zugleich den 150. Geburtstag ihres Schöpfers.

Unter der Feiergesellschaft ist auch Völkers Enkel und Künstler-Nachfahr Klaus. Er war es, der 2006 angesichts der an der Decke ausgebeult, durchnässt, verrußt hängenden Leinwände mit außergewöhnlicher Malerei von Szenen aus dem Leben Jesu die „Karl-Völker-Initiative“ ins Leben rief, gemeinsam mit Verbündeten aus dem Ort, aus Halle und anderswo. Dank kleinen und drei großen Spenden, von der Rudolf-Augstein-Stiftung, der Kirchlichen Stiftung Kunst und Kulturgut sowie der Stiftung Zukunft Spergau, konnten die Dresdner Restauratorinnen Uta Matauschek und Sybille Kreft das Rettungswerk vollenden.

Nicht mehr angenagelt, sondern auf Rahmen verschraubt und im Gebälk verankert, sind die acht schmalen Seitenbilder und die große zentrale Darstellung von Kreuzigung und Himmelfahrt nun wieder über den Köpfen der Kirchgänger angebracht, mit einer Leuchtkraft so frisch wie am ersten Tag, und dank gedecktem Dach vor Wasserschäden sicher, ebenso wie vor rieselndem Staub, den eine Schicht Japanpapier von den Leinwänden fernhält.

Farbkonzept für den Kirchenraum

So ist es fortan wieder möglich, die Wirkung dieser Bilder in ihrem angestammten Raum zu betrachten, wie zuvor einige Wochen lang in der Moritzburg sogar aus der Nahsicht. Noch fehlt die Harmonisierung mit dem Kirchenraum als Ganzem, dessen barocke, aber damals schwer heruntergekommene Gestalt Völker weitgehend überformte. Er schuf dafür eine Farbfassung von Grün, Orange und Gelb, und neue Seitenflügel links und rechts vom Kanzelaltar, die er ebenso wie die Seitenlehnen der Sitzbänke und Teile der Empore mit floralen Motiven bemalte. Dieses Farbkonzept bedarf noch der Restaurierung.

Nicht zuletzt dank der Ausstellung in der Moritzburg und einer begleitenden Publikation, aktuell ergänzt um eine „Kleine Festschrift“, rücken Völkers Malereien mehr denn je ins öffentliche Blickfeld. Wie der Kunsthistoriker und Direktor der Quedlinburger Feininger Galerie, Michael Freitag, in diesen Publikationen schreibt, war es politische Missliebigkeit zu NS- wie auch zu DDR-Zeiten, dass Völkers Werk lange keine angemessene Würdigung fand.

Seine Arbeit für Schmirma und weitere Kirchen fällt schon deshalb auf, weil Völker zur „Novembergruppe“ proletarisch-revolutionärer Künstler zählte, und dank der Fürsprache des damaligen Provinzialkonservators Max Ohle die Kirchgemeinde für sich gewann. Er erzählt die biblischen Geschichten mit einer Bildsprache, die mit unübersehbaren Anleihen bei Giottos Paduaner Fresken einen statuarischen Figurentypus vor atmosphärisch verdichteter, „architektonisch“ gebauter Landschaft zu spannungsreichen Gruppenbeziehungen inszeniert. Ein magischer Kolorismus steigert die Ausdruckskraft der Figuren, in denen Völkers „proletarisches“ Menschenbild sublimiert ist.

Mehr zum Thema lesen Sie auf der folgenden Seite.

Doch liest man die Publikationen, bleiben Fragen, wie die Bedeutung dieses Werks in seiner Zeit einzuordnen ist. Das fängt mit dem Stil an: Ist es nun „auf der Höhe seines expressionistischen Frühwerks“ oder „spätexpressionistisch“ oder keins von beiden: Michael Freitag selbst verweist auf Völkers Entwicklung einer „neusachlichen“ Bildsprache.

Zu bezweifeln ist der postulierte „Seltenheitswert“ des Schmirmaer Bildprogramms, von dem Freitag sagt: „Außer in Schmirma dürfte es in Deutschland nirgendwo anders noch eine Kirchenausstattung aus dem Umfeld des Spätexpressionismus geben, die tatsächlich realisiert wurde und bis in die gesamte farbliche Raumfassung der Kirche reichte.“

Religiöse Gemeinschaftskunst

Doch es ist fraglich, ob Völker und sein Umfeld die behauptete Einzigartigkeit wahrgenommen hätten, und ob man der Bedeutung des Werks mit seiner vermeintlichen Seltenheit gerecht wird. Der Expressionismus in Kunst und Architektur empfahl sich den Kirchen in seiner mystisch aufgeladenen, zugleich mit dem Historismus brechenden Haltung.

„Überall derselbe Aufbruch“, schrieb 1922 der spätere Prälat Johann van Acken in „Christozentrische Bildkunst“, „nach dem Ziel einer großen, religiösen Gemeinschaftskunst, dem Sakralkunstwerk“. Ähnlich äußerte sich der protestantische Architekt Otto Bartning bereits im Jahr 1919 in seinem Text „Raumform des kirchlichen Lebens“.

Aufsehen erregten Prototypen expressionistischer Kirchenräume auf Ausstellungen, zuerst des Kölner „Sonderbunds“ von 1912, für den Ernst Ludwig Kirchner und Erich Heckel eine 13 Meter hohe Kapelle ausmalten.

Viele Beispiele erhalten

Zahllos folgten „Gesamtkunst“-Kirchenbauten wie etwa Bartnings spektakuläre Essener Stahlkirche von 1928/1930. Diese wurde wie viele andere im Krieg zerstört, aber Beispiele künstlerisch voll ausgestatteter Kirchenräume existieren immer noch etliche: die ab 1924 mit zahlreichen Kunstwerken ausgestattete Klosterkirche Marienthal zum Beispiel.

Völkers Werk in Schmirma wird eigentlich erst richtig interessant als ein früher und eigenwilliger Beitrag zu dieser Bewegung.

Einweihung morgen um 15 Uhr. Regelmäßige Öffnungszeiten erst ab April 2015 geplant. Schlüssel auf Anfrage bei Baumschule Werther im Ort. (mz)

Karl Völkers Gemälde in der Kirche von Schmirma
Karl Völkers Gemälde in der Kirche von Schmirma
andreas stedtler Lizenz