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Kinostart: 9. März Kinostart: 9. März: «Knallhart»

Von Caroline Bock 02.03.2006, 14:18
Mutter Miriam Polischka (Jenny Elvers-Elbertzhagen) und ihr Sohn Michael (David Kroß) müssen aus ihrer Wohnung in Zehlendorf in dem Film «Knallhart» ausziehen. (Foto: dpa)
Mutter Miriam Polischka (Jenny Elvers-Elbertzhagen) und ihr Sohn Michael (David Kroß) müssen aus ihrer Wohnung in Zehlendorf in dem Film «Knallhart» ausziehen. (Foto: dpa) delphi filmverleih

Berlin/dpa. - «Du Opfer» ist in dieser Welt das schlimmsteSchimpfwort. Der 15 Jahre alte Polischka, den es mit seiner Muttervom Villenviertel Zehlendorf ins berüchtigte Berlin-Neuköllnverschlägt, ist wehrlos. Türkische Jungs «ziehen» ihm die Schuhe«ab», schlagen ihn brutal zusammen und zeigen ihm mit Handy-Filmchen,was mit anderen Opfern passiert. «Knallhart» ist und heißt dasSozialdrama von Regisseur Detlev Buck («Wir können auch anders»), derdamit nach zehn Jahren wieder mit einem Kinofilm überzeugen kann. Esist ein für Buck unerwartet drastischer Film, der auf der BerlinalePublikum und Kritiker begeisterte. Auf den trockenen Witz desnorddeutschen Filmemachers muss man trotzdem nicht ganz verzichten.

Der aus 500 Bewerbern ausgewählte Hauptdarsteller David Kross alszarter Michael Polischka, der in eine Spirale aus Gewalt undKriminalität gerät und vom Opfer zum Täter wird, hat ein starkesDebüt. Entdeckt hat ihn Bucks Tochter in Bargteheide bei Hamburg.Jenny Elvers-Elbertzhagen als allein erziehende Mutter, der der Sohnentgleitet, bekam ebenfalls Lob und macht ihre Sache gut. Auch wennnoch keine Isabelle Huppert vom Himmel gefallen ist, dürfte sie sichdamit endgültig von ihrem Image des Partygirls befreien.

Bucks Drama liegt mit seinem Stoff (nach einem Roman von GregorTessnow) auf der Höhe der Zeit und passt zur Diskussion um sogenannte Ehrenmorde, Deutschpflicht auf Schulhöfen und islamkritischeKarikaturen. In Neukölln, einem Schmelztiegel der Nationen, ist derTraum vom Multikulti-Idyll geplatzt, so sieht es zumindest der Film.Der Drogenhandel ist in arabischer Hand, und wenn man ein Handyverkaufen will, geht man zu den Italienern. Die Deutschen sind nichtbesser: Polischkas Mutter lässt sich von ihrem Liebhaber das Lebenbezahlen, und als dieser sie vor die Tür setzt, beginnt der Abstieg.In einem Höhepunkt der Gewalt denken sich Polischkas Feinde einegrausige Variante des Topfschlagen-Spiels aus, bei dem der Zuschauerkaum hinsehen mag.

Buck erklärt dabei nicht, warum die Migrantenkinder derart aus derBahn geraten, wie im Film zu sehen ist, das ist einer der wenigenPunkte, die man ihm vorhalten könnte. Es scheint logisch, dass sichPolischka als Drogenkurier versucht, um endlich den im Kiez sowichtigen «Respekt» zu bekommen. Die Großstadtbilder, die KameramannKolja Brandt eingefangen hat, wirken dabei, als hätte man beimFernseher die Farbe herausgedreht. Dazu gibt es die passende«knallharte» Musik.

Mancher Kritiker fühlte sich angesichts der Großstadtristesseschon an die Geschichte der drogensüchtigen «Christiane F.» erinnert.In Berlin löste der Film Diskussionen aus, ob die Wirklichkeit soschlimm ist, wie Buck sie schildert. Viele fanden dabei, dass er zwarüberspitzt, aber mit seiner Sicht grundsätzlich richtig liegt. SeineHausaufgaben hat der Regisseur gemacht: Für den Film besuchte erSchulklassen und streifte durch Neukölln, das er keineswegs nur alskriminellen Kiez sieht und ein «lebendiges Stadtviertel» nennt.Seiner Meinung gibt es die von ihm geschilderte Problematik nicht nurdort. Aber die Romanvorlage spiele nun einmal nicht auf dem Dorf,sondern in Neukölln.