Kinostart 8. April Kinostart 8. April: «A Single Man» - bewegendes Drama voller Sinnlichkeit
HAMBURG/DPA. - Dieser Film ist eine sinnliche Verführung. DerZuschauer schmeckt, riecht, spürt ihn, wenn etwa der Regenniederprasselt oder das Nachbarskind einen Ball immer wieder auf denBoden tippt, während George mit seinem Auto scheinbar in Zeitlupevorbeifährt. Oder der Rauch, den ein Stricher George ins Gesichtpustet. Dazu kommt betörende Musik, die nachklingt und Bilder wie auseinem stylischen Werbefilm eines Edel-Modelabels. Dem Designer TomFord ist mit seinem Regiedebüt «A Single Man» ein ästhetischesMeisterwerk gelungen, dem man den Perfektionismus ankreiden mag, deraber vor allem eines tut: betören - auch dank eines großartigen ColinFirth und einer wundervollen Julianne Moore.
George Falconer (Firth) ist Literaturprofessor im sonnigenKalifornien der 1960er Jahre. Und während seine Umgebung in warmesSonnenlicht getaucht ist und die Menschen um ihn ein unbeschwertesLeben genießen, lebt George isoliert in seiner Trauer um seinenFreund, der bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. Gleichgültigund wie ein Fremdkörper geht er seiner täglichen Routine nach - inGedanken immer wieder bei seiner großen Liebe Jim - vom erstenKennenlernen bis zu dem Telefonat, in dem er von Jims Tod erfährt.Schließlich beschließt er, der Sinnlosigkeit seines Lebens ein Endezu setzen und bereitet seinen Selbstmord mit gewohnter Akribie vor.
Doch dann trifft er an der Uni den jungen Studenten Kenny, derGeorge hartnäckig in eine Unterhaltung verwickelt, die sich zu einemangeregten Gespräch entwickelt. Die beiden tauschen tiefe Blicke aus,die Regisseur Ford in intensiven Detaileinstellungen in Szene setzt.Das Angebot, noch etwas trinken zu gehen, schlägt George aus, ebensodas eindeutige Angebot eines jungen Schönlings namens Carlos. Dochdie Lebensgeister des tieftraurigen Professors scheinen ganz zartwieder geweckt zu sein. Den Abend verbringt er mit seiner engstenVertrauten Charley (Moore), mit der er vor Jahren in London zusammenwar. Die Beiden lachen, tanzen und streiten, bis sich George aus derUmarmung Charleys befreit, um sich Zuhause zu erschießen. Doch dannläuft ihm Kenny über den Weg.
Der ehemalige Gucci-Designer Ford hat mit der Verfilmung vonChristopher Isherwoods «Der Einzelgänger» (1964), der als schwulerSchüsselroman gilt, ein bewegendes Drama über die Einsamkeit undVerlorenheit geschaffen. Die Stilisierung und glatte Oberfläche derdurchgestylten Menschen und Bilder in diesem Porträt über eineneinzigen Tag im Leben des verzweifelten George unterstreichen geradediese Verlassenheit.
Colin Firth spielt die Figur des nach außen völlig unbeteiligtenund emotionslosen George geradezu brillant. Mit minimalen Mittelngibt er der Figur die Tiefe, die den Zuschauer so bewegt. Dafür wurdeFirth von der Britischen Akademie für Film- und Fernsehkünste(Bafta) als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet und war für denOscar nominiert. Ebenso überzeugend ist Julianne Moore als Charley,die bei perfekter Fassade ebenso verzweifelt und einsam ist wieGeorge. Auch in dieser Person zeigt Ford die Gebrochenheit - etwawenn Charley vor dem Spiegel sitzt, das eine Auge bereits kräftig mittiefdunkler Mascara geschminkt, das andere noch völlig nackt.Großartig ist Moore auch, wenn sie schwer betrunken die Contenanceverliert, sich George an den Hals wirft und bedauert, dass aus ihrerBeziehung nie eine lebenslange Ehe geworden ist.
«A Single Man» ist nicht nur eine stilistische Glanzleistung mitvielen schönen Bildern und noch schöneren Menschen, sondern eineReflexion über die Zerrissenheit vieler Menschen und über dievöllige Verzweiflung trotz Wohlstands und beruflichen Erfolgs.Einzige Enttäuschung: Das Ende, das den Zuschauer noch trauriger undfrustrierter zurücklässt - ganz nach Isherwoods Romanvorlage und ganz so, wie das Leben mitunter spielt.