Kinostart 6. Dezember Kinostart 6. Dezember: «Anna Karenina»

Halle (Saale)/MZ. - Schwarz ist ihr Ballkleid, weiß seine Uniform. Sie tanzen, es verwirbelt auch ihre Gemüter. "Im Hause Oblonskij war alles durcheinander", heißt der berühmte zweite Satz der "Anna Karenina". Und wenig später wird die Titelheldin zu ihrem frischgebackenen Liebhaber sagen: "Alles ist zu Ende. Ich habe nun nichts außer dir."
Lew Tolstois Roman ist die Geschichte einer Amour Fou. Das Schwarz-Weiß und das Entweder-Oder der Leidenschaften wird platziert vor das Grau in Grau einer überlebten, dem Untergang geweihten Gesellschaft. Das könnte zeitgemäß sein - und es charakterisiert auch den Film selbst ganz gut, einen Film, der laut und schnell anfängt und sich in Tempo und Effekten noch steigert.
Tolstois Jahrhundertroman ist eines der meistverfilmten Werke der Weltliteratur. Über 20 Mal ist diese Geschichte dreier Familien aus der russischen Oberschicht schon für die Leinwand inszeniert worden, zuletzt 1997 mit Sophie Marceau in der Titelrolle. Vor ihr spielten unter anderem Greta Garbo - sie sogar zweimal - und Vivien Leigh die unglückliche Ehegattin. Und jede "Anna Karenina" ist anders - ein Kind ihrer Zeit, aber auch ein Geschöpf der jeweiligen Schauspielerin. Jetzt also Keira Knightley. Schon zweimal hat Regisseur Joe Wright einen großen Roman mit der Knightley verfilmt, "Stolz und Vorurteil" von Jane Austen und Ian McEwans "Atonement", und zweimal hat das sehr gut funktioniert.
Doch diesmal ist gerade die Hauptdarstellerin das Problem. Die heimlichen Hauptfiguren dieser Verfilmung sind viel eher ihr Liebhaber, der feurige Graf Vronski (Aaron Taylor-Johnson), der einmal nicht zum lächerlichen Tunichtgut heruntergestutzt wird, dann ihr älterer Gatte, der besonnen-harte Politiker Karenin (Jude Law), bei dem sich Vernunft und Gefühl die Waage halten, und der deswegen zur persönlichen Kränkung ein Verhältnis findet, seiner Frau eine zweite, eine dritte und noch eine vierte Chance einräumt - bis es irgendwann einfach mal genug ist. Sowie die junge Kitty (Alicia Vikander), die erst naiv-schwärmerisch in den ewigen Junggesellen Vronski verliebt ist, dann aber die tieferen Werte in dem Gutsbesitzer Levin (Domhnall Gleeson) erkennt, und mit ihm eine Ehe eingeht, die das glückliche Gegenstück zu Annas zunehmender Misere darstellt.
Das alles kommt zumindest dem Charakter des Buches sehr nahe. Wrights "Anna Karenina" ist jedoch vor allem aber ein opulenter Kostümschinken. Alles ist hier Bühne, großer Auftritt, soziale Rolle vor Kulissen - so verdoppelt der Film den Blick, den die Gesellschaft des Zarenreichs auf die Ehebrecherin Anna Karenina wirft. D
Der Bruch mit ihrer sozialen Rolle war sowieso die Kardinalsünde der Karenina. Fremdgehen? Nichts dagegen zu sagen, nur bitte doch diskret. Aber Liebe? Also wirklich, wo bleibt die Contenance... Man hat diese Figur, eine Zeit- und Leidensgenossin von Flauberts "Madame Bovary" und Fontanes "Effi Briest", immer als Frau verstanden, die den Mut hat, Konventionen und "Tugenden" zu opfern um ihrer Selbstverwirklichung willen. Anna Karenina ist schließlich auch eine Mutter, die für den Lover ihr Kind im Stich lässt. Man hat in diesem Emanzipationsstreben aber auch immer mehr gesehen: Das universale Drama eines Menschen, der sich nach Freiheit und Glück sehnt, und es wagt, dafür das Gesellschaftskorsett zu sprengen. All solche Facetten und Widersprüche fehlen ganz überwiegend in Joe Wrights rasanter, ungewöhnlicher, aber nicht restlos überzeugender Neuverfilmung.
Knightleys Karenina selbst wirkt wie ein großes, unerzogenes Mädchen, gar nicht die lebenserfahrene Frau, die weiß, worauf sie sich einlässt, wie sie Sophie Marceau spielte, auch nicht die aus Verzweiflung Hysterische der Vivien Leigh, die sich an Vronski klammert wie eine Ertrinkende an ein Stück Treibholz. Wenn aber Anna Karenina nicht mehr ist als ein etwas zu oberflächliches Girl, wenn sie den Zuschauer weder zur Identifikation einlädt, noch verführt, sie zu begehren und zu lieben - was bleibt dann von diesem Stoff?
Anna Karenina
Drama, GB 2012, Regie: Joe Wright
fsk: ab 12 jahre
Der Film startet u. a. im Lux-Kino am Zoo, Halle, Seebener Str. 172.
