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Kinostart: 5. Januar Kinostart: 5. Januar: «Jarhead»

Von Andrej Sokolow 01.01.2006, 18:49
Swoff (Jake Gyllenhaal r.) liegt mit einem Scharfschützengewehr auf der Lauer um kuweitische Ölfelder zu schützen (undatierte Filmszene). (Foto: dpa)
Swoff (Jake Gyllenhaal r.) liegt mit einem Scharfschützengewehr auf der Lauer um kuweitische Ölfelder zu schützen (undatierte Filmszene). (Foto: dpa) Uip

Hamburg/dpa. - Swofford - von seinen Kameraden kurz «Swoff» genannt - beschrieb, wieer die Operation «Wüstensturm» zur Befreiung Kuwaits von irakischenTruppen erlebte, im Buch «Jarhead». «American Beauty»-Regisseur SamMendes machte einen beeindruckenden Film daraus, der zwischenReportage, Kriegsdrama und einer Studie menschlicher Charaktere inExtremsituationen balanciert.

Es ist ein ungewöhnlicher Film geworden. Erstens, weil er esschafft, fesselnd zu bleiben, auch wenn es die meiste Zeit darumgeht, dass nichts passiert. Zweitens, weil er konsequent aus derSicht der Beteiligten gedreht ist. Mendes setzte vor allem aufHandkameras in Augenhöhe, es ist sozusagen ein Blick aus demSoldatenkopf heraus. Keine Vogelperspektiven, keine Panorama-Aufnahmen, keine politische Botschaft, die meiste Zeit nur einHäufchen Männer und viel, viel Sand, trocken und nüchtern gefilmt.

Einen «modernen Krieg» führen heißt warten, muss Swofford,überzeugend gespielt von Jake Gyllenhaal, schnell lernen. Nach demzermürbenden Drill des Trainingslagers unter dem gnadenlosen SergeantSykes (Jamie Foxx) landet er mit tausenden anderen Marines, inAnspielung an die kahl geschorenen Schädel auch «Jarheads»(«Topfköpfe») genannt, mit 20 Jahren in der heißen Wüste - aufgeregt,übermotiviert, voller Angst und doch frei von Zweifeln in ihrerpatriotischen Verblendung. Sie schlagen ihre Zelte auf, schwitzensich bei Läufen mit voller Ausrüstung fast zu Tode und müssen sichdas Wasser anschließend literweise wieder einflößen.

Essen, Schwitzen, Trinken, Schlafen, Masturbieren - in diesemKreislauf vergehen Monate, es ist zum durchdrehen und diese explosiveStimmung aus Einsamkeit, Frust und aufgestauter Aggression kommt vonder Leinwand so dicht rüber als sei man mittendrin. Die Soldaten sindselbst zu Bomben geworden, und ein Funke genügt, um sie zu zünden,sei es ein Football-Spiel in Gasmasken in sengender Hitze, dieUntreue einer Ehefrau oder ein Streit.

Als die Kampfhandlungen schließlich beginnen, bleibt es für dieMänner am Boden ein seltsamer Krieg. Getrimmt aufs Töten und aufverstörende Weise hungrig danach, rücken sie ohne einen einzigenSchuss vor, der Weg freigebombt durch die Luftwaffe. Swofford undseine Kameraden ziehen an Ansammlungen ausgebrannter Autos undverkohlten Leichen an Wüstenautobahnen vorbei, sie stapfen durch denÖlregen aus brennenden Quellen unter undurchdringlichen schwarzenRauchwolken, die den Tag zur Nacht machen. Und als apokalyptischeVision begegnet Swoff ein komplett mit Öl beschmiertes Pferd, schweratmend, hilflos, totgeweiht.

Kurz darauf sollen er und sein Partner Troy (Peter Sarsgaard) dochnoch die Chance zu dem von ihnen so heiß ersehnten Todesschussbekommen: Das Ziel ist ein ranghoher irakischer Offizier in einemFlughafen-Tower. Doch wen würde es wundern, wenn in einem «sauberenKrieg» alles noch ganz anders kommen sollte.

Was zurückbleibt nach der Geschichte, ist Leere und Ratlosigkeit.Vier Tage und vier Stunden hat dieser Krieg für die Soldatengedauert, und ihr Training und die ganze Aufregung wirken aufdramatische Weise sinnlos, abgesehen davon, dass es für jeden eineeinschneidende Lebenserfahrung war. «Wir sind immer noch in derWüste», resümiert Swofford, der erst mehr als zehn Jahre Abstandbrauchte, um seine Erinnerungen zu veröffentlichen.