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Kinostart: 5. April Kinostart: 5. April: Schuldrama «Freedom Writers»

Von Axel Büssem 01.04.2007, 20:55
Im neuen Kinofilm «Freedom Writers» steht Erin Gruwell (Hilary Swank) in einem Klassenraum, in dem sich die Schüler an ihren Tischen gegenüber sitzen (undatierte Filmszene). (Foto: dpa)
Im neuen Kinofilm «Freedom Writers» steht Erin Gruwell (Hilary Swank) in einem Klassenraum, in dem sich die Schüler an ihren Tischen gegenüber sitzen (undatierte Filmszene). (Foto: dpa) Universal film

Hamburg/dpa. - Die meisten Lehrer haben längstaufgegeben, ihnen etwas beibringen zu wollen. Nur die neueEnglischlehrerin Erin Gruwell (Hilary Swank) will nicht kapitulieren.Mit ungewöhnlichen Methoden schafft sie es, die Schüler zu bändigenund ihr Interesse an Literatur zu wecken. Sie stellt «Das Tagebuchder Anne Frank» dem falschen Getto-Pathos gegenüber, mit dem dieKids ihre negative Einstellung zu Schule und Leben rechtfertigen.

Zunächst ist Gruwell allerdings genauso hilflos wie die anderenLehrer. In ihrer ersten Unterrichtsstunde muss sie wegen einerSchlägerei gleich den Sicherheitsdienst rufen. Die Wende bringtschließlich eine rassistische Zeichnung, die in der Klasse die Rundemacht. Sie zeigt einen schwarzen Schüler mit extrem dicken Lippen. Daplatzt Gruwell der Kragen: Sie erzählt den Kids, dass auch die NazisKarikaturen von Juden verbreiteten und die Deutschen so auf denHolocaust vorbereiteten. Aus den verdutzten Gesichtern der Kidsschließt sie, dass diese keine Ahnung vom Genozid an den Juden haben.

Hier hat der Film eine seiner stärksten Szenen: Die Lehrerin fragtdie Jugendlichen, wer von ihnen schon einmal eine Schießerei erlebthat, jemanden in einem Bandenkrieg verloren hat oder die neuestenGangster-Rap-Platten kennt. Jeweils meldet sich ein Großteil derKlasse. Als sie jedoch fragt, wer weiß, was der Holocaust ist,bleiben alle Arme unten. Also beschließt Gruwell, den Schülern «DasTagebuch der Anne Frank» lesen zu lassen, um ihnen zu zeigen, wasVerfolgung und täglicher Kampf ums Überleben wirklich bedeutet.

Ihre Gedanken sollen die Schüler in einem Tagebuchniederschreiben. So entstand die Vorlage für den Film, das Buch «TheFreedom Writers Diary». Der Film beruht nämlich auf einer wahrenBegebenheit aus dem Jahr 1994, zwei Jahre nach den schlimmstenRassenunruhen, die Los Angeles je erlebt hat.

Diese Authentizität unterscheidet «Freedom Writers» vonzahlreichen Filmen gleichen Strickmusters, wie etwa «Dangerous Minds»mit Michelle Pfeiffer (1995). Der Zuschauer kann sich so auch mitKlischees arrangieren, die bei einem fiktiven Film unglaubwürdigwären: So nimmt Gruwell zwei Nebenjobs an, um den Schülern Bücherkaufen zu können, die die Schulbibliothek nicht herausrücken will.Doch trotz der realen Grundlage wirken einige Plotwendungen argüberzogen: Der schnelle Wandel einiger Schüler vom knallhartenGangster zu Lehrers Liebling ist kaum nachvollziehbar. DerEnthusiasmus, den Swank («Million Dollar Baby») ihrem Part zu Beginnverleiht, wirkt etwas zu naiv.

Insgesamt überzeugt Swank jedoch mit ihrer Charakterdarstellungund ist damit neben der realen Vorlage der größte Trumpf vonRegisseur Richard LaGravenese, der bislang vor allem mit Drehbüchernbekannt wurde («Die Brücken am Fluss» (1995), «Der Pferdeflüsterer»(1998)). In Deutschland hat der Film erschreckende Aktualität: Vordem Magdeburger Landgericht müssen sich derzeit mehrere mutmaßlichRechtsradikale verantworten, die im Stil nationalsozialistischerBücherverbrennungen eine Ausgabe von «Das Tagebuch der Anne Frank»verbrannt haben sollen.