Kinostart: 23. Oktober Kinostart: 23. Oktober: «Nordwand»

Hamburg/dpa. - DasBergmelodram «Nordwand» des Münchner Regisseurs Philipp Stölzl istnichts für schwache Nerven. Mit atemberaubenden Bildern in eisigemFels und erstklassigen Darstellern erzählt der 39-Jährige dieTragödie der Bergsteiger Toni Kurz und Andi Hinterstoisser, die 1936beim Versuch, als Erste die berühmt-berüchtigte Eiger-Nordwand imBerner Oberland zu durchsteigen, ihr Leben ließen. Die Vier warennicht die Ersten und auch nicht die Letzten, die die «Mordwand»verschlungen hat.
Es ist eine wahre Geschichte über den Flirt mit dem Tod, einextrem spannendes Bergabenteuer vor dem Hintergrund der ideologischenVereinnahmung durch die Nazis im Olympiajahr 1936. «Zu 95 Prozentakkurat», sagt Stölzl, der mit diesem Streifen das Genre Bergfilm neubelebt. Nur die Frauenfigur ist erfunden. «Man braucht ein Stückweibliche Emotion als Kontrast zum wuchtigen Überlebensdrama in derWand, gegen das ohnehin schwer anzukommen ist. Und man brauchtjemanden, der den Zuschauer in diese traurige Geschichte hinein undvor allem wieder hinaus begleitet.»
Kaum einer hätte das besser gelingen können als Johanna Wokalek.Die Ausnahme-Darstellerin mit dem sagenhaft offenen Blick, die im«Baader-Meinhof-Komplex» als eiskalte Gudrun Ensslin schockiert,spielt die eifrige Journalismus-Anfängerin Luise Fellner. Sie ist hinund her gerissen zwischen der Sensations-Berichterstattung ihresNazi-treuen Mentors Henry Arau - Ulrich Tukur läuft charmant-zynischwieder einmal zu Hochform auf - und ihrer Liebe zum wortkargen ToniKurz, gespielt von Benno Fürmann. Schließlich riskiert sie selbst ihrLeben, um die letzten Minuten bei ihrem Liebsten zu sein - mitten inder Wand, nur wenige Meter von dem Sterbenden entfernt.
Vor allem in den fast schwarz-weiß wirkenden Szenen im dunklen,steilen Fels ist zu spüren, wie sehr sich das Filmteam derFaszination des Berges hingegeben hat. Die Klettersequenzen wirkendokumentarisch, fast so als sei der grandiose Kameramann Kolja Brandtmitgeklettert. Es liegt an den raffinierten Schnitten, die die Bildervom Eiger und die Naheinstellungen, die am Dachstein und in einemKühlhaus entstanden sind, verschmelzen. Sie bilden einen eisigenKontrast zum knisternden Kaminfeuer und den rauschenden Festen imHotel auf der Scheidegg, von wo sensationslüsterne Journalisten undTouristen das Drama mit Ferngläsern beobachten.
Die Schlüsselszene des Films ist der Moment, als der HeißspornAndi Hinterstoisser (Florian Lukas) das Seil vom erstmalsgemeisterten Quergang abzieht. Ein Rückzug ist damit unmöglich, alsdas Wetter umschlägt. Der halb erfrorenen und entkräftetenViererseilschaft bleibt nur der Abstieg über die Senkrechte zu einemStollenloch der Jungfraubahn, doch das ist der Weg in den sicherenTod. Edi Rainer (Georg Friedrich) erfriert, Willi Angerer (SimonSchwarz) wird von Seilschlaufen stranguliert,Andi Hinterstoisserstürzt ab. «Ich kann nicht mehr», sind die letzten Worte des ToniKurz, bevor auch er beim Abseilen stirbt - vor den Augen der zu Hilfegeeilten Retter.
Es hätte keinen besseren Zeitpunkt für diesen Film geben können,den der Bayerische Rundfunk ursprünglich als Fernseh-Zweiteilerproduzieren wollte. In diesem Jahr jährt sich die Erstbesteigung des3970 Meter hohen Eiger-Gipfels zum 150. Mal. Und vor 70 Jahren wurdedie 1800 Meter steil aufragende Nordwand bezwungen - von denDeutschen Andreas Heckmair und Ludwig Vörg sowie den ÖsterreichernFritz Kasparek und Heinrich Harrer. Harrer hat mit «Die Weiße Spinne»das Standardwerk zum Berg verfasst. Es diente auch den«Nordwand»-Machern als Quelle. Ihnen dürfte nicht entgangen sein, wasder berühmte Alpinist über den «Berg der Süchtigen» schreibt: «Diewahre Geschichte der Eiger-Nordwand ist furchtbarer und großartiger,als Menschen sie je erfinden könnten.»