Kinostart: 19. April Kinostart: 19. April: «Der Unbequeme»

Hamburg/dpa. - Wenn man ihm nach dieser Enthüllung die Funktion als «Gewissen der Nation» abspräche, habe er nichts dagegen, denn dies habe er eigentlich nie sein wollen, sagt der Autor in dem Dokumentarfilm «Der Unbequeme».
In bundesweit 50 Programmkinos wird diese erste umfassendefilmische Darstellung des viel diskutierten und geehrten Literaten am19. April starten. Eine TV-Ausstrahlung zum 80. Grass-Geburtstag imHerbst ist nach Aussagen des Verleihs in Planung.
Rund zwei Jahre lang haben die beiden Regisseurinnen SigrunMatthiesen und Nadja Frenz den prominenten Schriftsteller bei derEntstehung seines autobiografischen Buches «Beim Häuten der Zwiebel»begleitet - und sind dabei ungeplant in den Medienrummel rund um dasThema der SS-Verstrickung des 17-jährigen Grass geraten. Auch dankder sensiblen Kamera-Arbeit von Knut Schmitz, der wohltuend ruhigeBilder beisteuert, ist «Der Unbequeme» dennoch meilenweit entferntvon jedwedem aufgeregten Voyeurismus. Entstanden ist eine sachlich-faire Darstellung, die den Autor vom kalten Marmorsockel desLiteraturdenkmals herabholt.
Die Film-Erzählung rund um das skandalumwitterte Buch wird aberauch zur anschaulichen Zeitreise in die Vergangenheit desSchriftstellers mit den Stationen Danzig, Paris, Lübeck oderWarschau. Grass führt seine Übersetzer, mit denen er zuvor witzig inallen Sprachen Europas um die pikante Übersetzung von «die Geliebte»diskutiert hat, vor das bescheidene Haus, wo er im Oktober 1927 dasLicht der Welt erblickt hat. Er begegnet seiner Schauspieler-TochterHelene in Paris, wo er in den 50er Jahren an der «Blechtrommel»schrieb und trägt mit ihr wunderbar «schmalzfrei» aus «Des KnabenWunderhorn» vor.
Wenn Grass zudem im Kreis aufgeweckter Lübecker Schüler über seineArbeit spricht und die Schaffensnöte jenseits des Nobelpreis-Ruhms(«Das Papier ist erschreckend weiß geblieben.») nicht verschweigt,wird die Dokumentation zur Deutschstunde der erfreulichen Art.«Bestimmte Formen von Eleganz gefallen ihm nicht, er wollte die raueStimme nicht verlieren», resümiert Hans Magnus Enzensberger zumSchreibstil seines Freundes.
Auch der politische Grass kommt natürlich zu Wort, der die SPDseit langem kritisch sympathisierend im Blick hat: Anders als andereBewegungen «hat diese Partei kein Endziel, das beruhigt mich».Zusammen mit den Autorenkollegen der Gruppe 47 habe Grass für ihn dieTüren zur deutschen Nachkriegskultur geöffnet, erklärt derisraelische Schriftsteller Amos Oz im Kurzinterview - und die erstnach langer «Verkapselung» (Grass) eingestandene Verstrickung in dieWaffen-SS erscheint meilenweit entfernt.