Kinostart 15. April Kinostart 15. April: «Dorian Gray» - Ben Barnes als obskures Objekt der Begierde

HAMBURG/DPA. - Im Gegensatzzu seinen Leinwandversionen von Wildes Komödien, «Ein perfekterEhemann» (1999) und «Ernst sein ist alles» (2002), überlässt Parkerhier die Adaption des Romans dem Drehbuchautor und Newcomer TobyFinlay, der mehr dem eigenen Talent vertraut als dem von Oscar Wilde.Er verlängert den Handlungsablauf um 25 Jahre und beschert dem Heldenam Ende seines Lebens eine unerwartete wie herzzerreißendeLiebesbeziehung.
Dorian Gray (Ben Barnes), sehr jung, sehr gutaussehend, aber imAuftreten noch unsicher, kommt Ende des 19. Jahrhunderts nach London,um das Erbe seines reichen Onkels anzutreten. Er befreundet sich mitdem Maler Basil Hallward (Ben Chaplin) und steht ihm Modell. DasGemälde konfrontiert Dorian zum ersten Mal bewusst mit der eigenenSchönheit und der Angst, sie zu verlieren. Er begreift, welcheFaszination sein Aussehen auf andere ausübt. Plötzlich wünscht ersich nichts sehnlicher als immer jung zu bleiben wie an diesem Tag,und dass statt seiner, das Bild älter würde. Also geht er einenfaustischen Pakt mit dem Schicksal ein. Mehr und mehr gerät Dorianunter den fatalen Einfluss des zynischen wie brillanten Lord HenryWotton (Colin Firth), dessen Devise ist: «Der einzige Weg, eineVersuchung loszuwerden, ist, ihr nachzugeben.»
Soweit folgt der Film in groben Zügen der Originalvorlage, aberdann verzichtet Toby Finlay nur zu oft darauf, die ironischen DialogeOscar Wildes zu übernehmen und setzt allein auf Action, malerischeKulissen und Grusel im Stil der klassischen englischenSchauergeschichten, den gothic tales. Dabei konnte man es nichtleichter haben, der wenig umfangreiche, 1891 erschienene Roman desirischen Schriftstellers entwickelt die verschiedenen Beziehungen derAkteure untereinander so raffiniert, subtil und geistreich, dass demZuschauer wahrscheinlich immer unerklärlich bleiben wird, warum derDrehbuchautor den Anti-Helden auf ein obskures Objekt der Begierdereduziert. Vielleicht haben Produzent und Regisseur sich davon einenkommerziellen Erfolg versprochen, mit der Wahl Ben Barnes («PrinzKaspian von Narnia») auf ein jugendliches Publikum spekuliert.
Nichts bleibt der Fantasie des Zuschauers überlassen. Als Protegévon Lord Wotton wird Dorian Gray in die einschlägigen Etablissementsund gängigen Spielarten der Erotik eingeführt. Fast hätte er sich amAnfang einmal verliebt und dafür seine Freiheit aufgegeben, aber erentscheidet sich nach kurzer Reflektion für Dekadenz undAusschweifungen. In schneller Szenenfolgen und opulenten Bildernwerden die sexuellen Begegnungen illustriert. Männer wie Frauenverfallen Dorian gleichermaßen.
Kein Exzess, keine Gewaltanwendung hinterlässt Spuren auf demGesicht des Protagonisten. Voller Verblüffung und Erschrecken stellter fest, wie minutiös dagegen sein Porträt den Zustand seiner Seele,seines wahren Ichs, widerspiegelt. Langsam mutiert das gemalteEbenbild (im Film dank modernster CGI Technik) zu einem widerwärtigenMonster, und der jugendliche Lebemann lebt in ständiger Angst, dasGemälde könnte entdeckt werden. In die Enge getrieben, tötet erskrupellos wie Jack the Ripper, in dieser Rolle kann Barnes wenigüberzeugen, er hat kein Talent zum eiskalten Killer, doch selbst mitblutverschmierten Händen ist er unbestreitbar attraktiv, was für denFilm insgesamt zutrifft.
Was zur viktorianischen Zeit ein Tabu war, kann heute kaumprovozieren. Viel aktueller ist jener krankhafte Schönheitswahn, vondem der Protagonist, aber auch seine Umgebung, besessen ist. Die Giernach äußerlicher Vollkommenheit und exzessivem Luxus wird zur Suchtfür alle Beteiligten, verbunden mit einer Verachtung für jene, dieweniger besitzen oder gar arm sind. Im Roman hat Dorian von LordWotton gelernt zu manipulieren, zu verführen, er macht die anderen zuKomplizen seiner Gräueltaten oder treibt sie in den Tod. SeineMenschenverachtung kennt keine Grenzen.
Davon ist bei Regisseur Oliver Parker wenig zu spüren und zusehen, stattdessen lässt der Drehbuchautor den Protagonisten nach 25Jahren in der Fremde nach London zurückkehren, von Selbstzweifelngequält, doch als er Emily, die Tochter von Lord Wotton, eine apartewie selbstbewusste junge Frau trifft, hofft Dorian auf Erlösung.Vergebens. Das Finale ist dramatisch.