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Kinostart: 14. Mai Kinostart: 14. Mai: «Die Besucherin»

Von Susanne Schmetkamp 07.05.2009, 09:16
Im Film «Die Besucherin» schläft Agnes (Sylvana Krappatsch) in einer fremden Wohnung, auf die sie eigentlich aufpassen soll. Bruno (Andre Jung) beobachtet die Fremde beim Schlafen. (FOTO: DPA)
Im Film «Die Besucherin» schläft Agnes (Sylvana Krappatsch) in einer fremden Wohnung, auf die sie eigentlich aufpassen soll. Bruno (Andre Jung) beobachtet die Fremde beim Schlafen. (FOTO: DPA) Filmlichter

Köln/dpa. - Es ist Nachmittag, sie wollte sichnur kurz ausruhen, da ist sie eingeschlafen. Unerwartet betritt einMann die verlassene Wohnung, Agnes stellt sich schlafend, zum einenpeinlich berührt, zum anderen neugierig darauf, was geschieht. DerMann legt sich hinter sie in Löffelchenstellung, die beiden schlafenmiteinander, ohne ein Wort zu wechseln oder das Gesicht des Anderenzu sehen. Die Szene ist eine der irritierendsten und gleichzeitigbeeindruckendsten in dem starken Regiedebüt «Die Besucherin» von LolaRandl.

Die Geschichte nähert sich Filmen wie «9 Songs» von MichaelWinterbottom, «Der letzte Tango in Paris» von Bernardo Bertolucci und«Bin Jip» von Kim Ki-duk an, deren Figuren sich ebenfalls auf eineLiaison mit dem Fremden - sei es ein fremdes Haus oder ein fremderLiebhaber - einlassen und, indem sie dabei ihr eigenes Lebenausblenden, eine neue, intensive Freiheit erleben, die sich oft aberals Illusion erweist. Die Figuren repräsentieren dabei diepostmoderne Idee, die eigene festgezurrte Identität zu lockern, sieneu zu justieren oder ganz zu lösen.

Das Wunderbare an Randls Film ist, dass er die Frage nach demGlück - ob Änderungen im Leben etwas bewirken - offen lässt und dasPhänomen der Sehnsucht nach Veränderung überhaupt aufgreift. «Michinteressierte diese Frau, die mit großer Konzentration und Disziplinihr Leben organisiert hat und dann von dem Bedürfnis überwältigtwird, aus ihrem Lebensplan auszusteigen», sagt Randl über ihre Figur.«Es geht mir weniger darum, Agnes rational begreifen zu können, alsvielmehr die Entstehung dieses Gefühls mitzuerleben, das einem keineChance lässt, sich dagegen zu wehren.»

Eigentlich sollte Agnes nur die Blumen in der unbekannten Wohnunggießen. Im Laufe einiger Wochen - vor der Begegnung mit dem fremdenMann - richtet sie sich aber mehr und mehr in dem fremden Leben ein,hört den Anrufbeantworter ab, wäscht ihre Bluse. Hier fühlt sie sichwohler als in ihrem eigenen Leben, von dem sie sich zunehmendentfremdet. Obwohl sie objektiv gesehen ein Bildbuchleben führt: Sieist eine erfolgreiche Neurowissenschaftlerin, Mutter einer Tochter,verheiratet mit einem Krimiautor. Dieser ist charmant, liebevoll undschmeißt noch dazu den Haushalt. Agnes hat für all das keinen Blick.Die Spülmaschine ist kaputt? Ach, wen interessiert das! Mit Bruno(André Jung), den sie in der fremden Wohnung kennenlernt, scheint einNeuanfang möglich.

Die Nachwuchsregisseurin Randl, die an der Kunsthochschule fürMedien in Köln studierte, erklärt nicht jeden Schritt der Hauptfigur,so dass diese in mancher Hinsicht entsprechend fremd undundurchsichtig bleibt. Die Geduld und der Mut, das durchzuhalten,sind Randl hoch anzurechnen, neigt man doch dazu, kausaleErklärungsmuster für menschliches Verhalten bereitzuhalten und dabeiherkömmliche Erwartungen befriedigen zu wollen. «Die Besucherin» istdarum auch kein leichter Film, kein Wohlfühlkino.

Hervorzuheben ist neben Drehbuch und Regie das großartigeSchauspielensemble, das sich aus erfahrenen Theater- undFernsehschauspielern zusammensetzt: dem mehrfach ausgezeichnetenTheaterschauspieler André Jung, der Theaterschauspielerin SylvanaKrappatsch, die damit ihr Kinodebüt gibt, und dem neben der Bühne vorallem im deutschen Fernsehen sehr gefeierten Samuel Finzi (Das Wundervon Bern, Bella Block). Die Besetzung der charakterstarken Figurenhätte besser kaum sein können.