Kinofilm über Friedrich Schiller Kinofilm über Friedrich Schiller: Liebe zu dritt

Halle (Saale)/MZ - Ach, unsere Klassiker! Friedrich Schiller zum Beispiel. So wie der Über-Dichter Goethe viel verehrt, doch nur mehr aus der Ferne. Weil: wenig gelesen. Hie und da mal ein bildungsbürgerlich eingebrachtes Schiller-Zitat – damit hat es sich. Ansonsten schwebt auch Schiller hoch oben im olympischen Nirvana und stört nicht weiter. Doch wenn wir daran erinnert werden, dass es im wahren Leben dieses Helden ziemlich menschlich zuging, dann reiben wir uns erstaunt die Augen und er gerät ein bisschen näher in die heutige Welt.
Film über eine unerhörte Liebesgeschichte
Mit Dominik Grafs neuem Kinofilm könnte das gelingen. „Die geliebten Schwestern“ kommt am Donnerstag ins Kino. Der Streifen erzählt die „unerhörte“ Liebesgeschichte zwischen Friedrich Schiller und den Schwestern Charlotte von Lengefeld und Caroline von Beulwitz, letztere in unglücklicher Ehe verheiratet. Eine leidenschaftliche Dreiecksbeziehung vom Ende des 18. Jahrhunderts vor dem Hintergrund der Aufklärung und bürgerlicher Freiheitsideen.
Was wirklich gelaufen ist in dieser „ménage à trois“, darüber sind sich die Schiller-Forscher bis heute nicht so recht einig. Doch dass da etwas war im „klassischen“ Dreieck, galt schon zu Lebzeiten des verliebten Trios als offenes Geheimnis. Dieser Schiller (Einmeterneunzig-Mann, markantes Profil, aufrührerisches Augenblitzen, verwegene Biografie mit Flucht und Bann) kann wohl als eine Art Popstar seiner Zeit gelten. Umschwärmt von Verehrern seiner Dichtkunst, besonders von Frauen. Ein Typ, der in seiner Sturm- und Drangzeit nichts anbrennen ließ.
Nachzulesen bei ihm selber, wenn er seiner leidenschaftlichen Verzückung unverhohlen Ausdruck gab. In frühen Gedichten lässt er „Wollustfunken aus den Augen regnen“, beschreibt wie „Mund an Mund gewurzelt brennt“ bei „ineinanderzuckenden Naturen“. Oha! Als jungem Militärarzt kam ihm das wahre Menschenleben hautnah mit allen Sinnen.
Draufgänger und Frauenheld
Er galt als Draufgänger und Frauenheld. In seiner Zeit zwischen Mannheim, Bauerbach, Leipzig und Dresden hatte er es vor allem mit Schauspielerinnen und verheirateten Frauen. Was sich fortsetzte, als der 27-Jährige im Sommer 1787 in Weimar in den Dunstkreis von Goethe, Herder, Wieland trat und ungeniert den Liebhaber der Charlotte von Kalb, Ehefrau und Mutter, gab. Die hatte sogar an Scheidung gedacht seinetwegen. Doch dann traf er die Schwestern: In beide war er verliebt, beide liebten ihn.
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Eine pikante Promi-Story, zu schön, als dass sie nicht immer wieder von Autoren aufgegriffen worden wäre. Bereits 1879 war im (fast) vollständig veröffentlichten Briefwechsel Schillers mit den Schwestern nicht nur zwischen den Zeilen die vertrackte Liaison nachzulesen. In unserer Zeit hat unter anderem die Klassik-Spezialistin Sigrid Damm mit „Das Leben des Friedrich Schiller“ den Dichter privat erfolgreich einem großen Publikum nahegebracht. Unter dem Titel „Schiller, Lotte und Line“ widmet sich die Germanistin Ursula Naumann dem Beziehungsgeflecht zwischen den Dreien. Pünktlich zum Start des Films (nach Dominik Grafs Drehbuch) kommt Naumanns Werk als Taschenbuch neu heraus. Friedrich Schiller zwischen zwei Frauen: Die Autorin hat neben ihrer langjährigen Lehrtätigkeit an der Universität Erlangen an der Schiller-Nationalausgabe mitgearbeitet und hält sich an die Fakten jenseits jeglicher Spekulation. Beim Film, der unter anderem in Weimar und Rudolstadt gedreht wurde, bekennt sich der Regisseur zu dramaturgischen Freiheiten.
Irrungen und Wirrungen einer Liebe zu dritt
Ursula Naumanns Buch hat verlässlich dokumentarischen Charakter und erweist sich als spannende Lektüre. Von Schillers Eintreffen in Weimar am Abend des 21. Juli 1787 bis zur Trauung mit Charlotte am 22. Februar 1790 lässt das Buch teilhaben an den Irrungen und Wirrungen einer Liebe zu dritt, die auch in jenen Zeiten so einzigartig nicht war.
Schließlich hatte Goethe selbst in seinem Stück „Stella“ schon 1776 den Gedanken einer Dreiecksbeziehung auf die Bühne gebracht. Im Freundeskreis der Schwestern Lengefeld steht Li von Dacheröden zwischen zwei Männern, ihrem Fast-Verlobten Carl von La Roche und Wilhelm von Humboldt, dem sie schließlich den Vorzug gibt. Schillers Wunschdenken ist ein keineswegs abwegiger Traum. Dabei hatte er sich ja schon selbst Fesseln gegeben. Als der umtriebige Junggeselle seinem Intimfreund Christian Gottfried Körner schrieb, dass er „eine Heurath aus Notwendigkeit“ ins Auge fasse, ungeniert nach einer „reichen Parthie“ fragt und seinen Anspruch bündig formuliert: „Eine Frau, die ein vorzügliches Wesen ist, macht mich nicht glücklich“. Er brauche „ein Geschöpf“, das ihm „ganz ergeben“ sei.
Ursula Naumanns Buch „Schiller, Lotte und Line“ ist als Insel-Taschenbuch erschienen, es hat 195 Seiten und kostet 8,99 Euro.
Das Drama „Die geliebten Schwestern“ hat der Regisseur Dominik Graf inszeniert. Der Film startet am Donnerstag in den deutschen Kinos, darunter auch im Puschkino Halle.
Das kann wohl als Schlüsselsatz für Schillers Haltung zum weiblichen Geschlecht gelten. Passend setzt er nach: „Bei einer ewigen Verbindung, die ich eingehen soll, darf Leidenschaft nicht seyn.“
Nun, ja. Die erfasste den so kühl Kalkulierenden dann doch nach jenem schicksalhaften Dezembertag 1787 in Rudolstadt. Da traf der spätere Superklassiker im Hause der verwitweten Frau von Lengefeld auf deren Töchter. „Beide Geschöpfe sind, ohne schön zu seyn, anziehend und gefallen mir sehr“, teilt er Körner mit. Es hatte gefunkt! So verschieden die Schwestern aus verarmtem Adel auch waren. Die damals 21-jährige Charlotte wird als „dunkellockig, schlank, etwas größer als die blonde, rundliche Caroline“ beschrieben. Die Jüngere eher ruhig, nachdenklich, „ihr Verhältnis zur Welt und sich selbst war anschauend, betrachtend“ heißt es im Buch und Schiller rühmt später „die stille, sanfte Gleichheit“ ihrer Seele. Caroline dagegen ist lebhaft, klüger, unterhaltender, er empfindet sie als seine Geistes- und Seelenschwester.
Schiller kehrte wieder – für einen langen Sommer. Vom intensiven Erleben dieser Zeit zu dritt zeugen Briefe voller Schwärmerei. Im Sommer darauf dann die Entscheidung – für Charlotte!
Er wollte beide - und beide wollten ihn
Ausgerechnet Caroline hatte ihn bei einem Treffen in Bad Lauchstädt zu einem Heiratsantrag an die Schwester ermutigt. Doch er wollte sie ja beide! Und beide ihn. Briefe zeugen davon. „Nach seiner Verlobung mit Charlotte schreibt Schiller ihr Liebesbriefe, die auch an Caroline gerichtet sind, er schreibt Caroline Liebesbriefe, die Charlotte einschließen, er schreibt Liebesbriefe, die an beide gerichtet sind. Und beide schreiben Liebesbriefe an ihn“, heißt es im Buch zu der verzwickten Situation. Bei einem weiteren Besuch in Rudolstadt habe der inzwischen zum Professor in Jena Berufene mit den Schwestern „so gelebt, wie er ihnen schreibt, seine Liebe zu gleichen Teilen verschenkend.“ Was allerdings so ganz ohne Eifersüchteleien dann doch nicht abgegangen sei. Bei der Hochzeit war Caroline neben der Mutter der einzige Gast. „Von einem dreischläfrigen Ehebett ist nichts bekannt“, vermerkt Ursula Naumann süffisant.
Man blieb einander verbunden, doch „es gab keine ménage à trois, dafür sorgte Charlotte. Sie wurde Schiller die Frau, die sie ihm versprochen hatte, die ideale Dichtergattin …, die ihn umsorgte“ und auch „die aussetzenden Pulse“ seiner Liebe ertrug. Schwägerin Caroline blieb im Blickfeld, mit zunehmend matteren Liebesbeweisen abgespeist. Sie ließ sich scheiden, heiratete neu, gemunkelt wird von Affären. Dabei bewies sie auf besondere Weise Treue: 1830 veröffentlichte sie die erste Biografie Schillers und war auch am Kranken- und Totenbett an seiner Seite.