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Kino an Ostern Kino an Ostern: Die Bibel hat Blockbuster-Qualitäten

Von Frank Olbert 25.03.2016, 16:44
Joseph Fiennes (r.) als römischer Tribun in „Auferstanden“
Joseph Fiennes (r.) als römischer Tribun in „Auferstanden“ Verleih

Die Bibel, kein Zweifel, ist ganz großes Kino. In zwei Teilen: Im ersten herrscht ein rachsüchtiger Gott, es kommt zu Völkerwanderungen, Naturkatastrophen und Heilsoffenbarungen – schon das hat Blockbuster-Qualitäten. Doch der wahre Superstar tritt erst in der Fortsetzung auf: ein Messias, der in einem Viehstall in Betlehem geboren wird und in Jerusalem am Kreuz stirbt, dazwischen Wunder wirkt und Dinge verkündet, die der Menschheit eine neue Religion bescheren. Dieser Film war lange ein Kassenerfolg, doch in jüngerer Zeit lockt er immer weniger Zuschauer ins Kino, pardon – in die Kirche.

Gleich zwei Filme werden im Kino gezeigt

Die Bibelverfilmung gehörte früher zu Ostern wie die Nordmann-Tanne zu Weihnachten. Doch parallel zur wachsenden Religionsmüdigkeit sank der Eifer der Studios, das Leben Jesu Christi auf die Leinwand zu bringen. Nicht nur in Hollywood heißt eines der zehn Gebote der Filmindustrie: Du sollst Dein Publikum nicht verprellen. In diesem Jahr allerdings kommt es zu einer geradezu wundersamen Vermehrungen von biblischem Stoff. Gleich zwei Verfilmungen werben rund ums Osterfest um die Gunst der Zuschauer, nämlich „Auferstanden“ („Risen“) von Kevin Reynolds und „Der junge Messias“ von Cyrus Nowrasteh. Wie aber nähert sich das moderne Kino den uralten Geschichten?

Und nochmal ganz von vorne

Erstaunlich didaktisch, wie man feststellen muss. Beide Regisseure scheinen von der Prämisse auszugehen, dass das zeitgenössische Publikum vom christlichen Gründungsmythos nicht mehr viel weiß und deshalb sowohl über die biblische Erzählung wie die historischen Umstände erst unterrichtet werden muss.

Die Filme im Kino

„Auferstanden“ konzentriert sich auf die klassische Ostergeschichte, allerdings eingefangen aus ungewöhnlicher Perspektive: Hauptfigur ist der römische Soldat Clavius (Joseph Fiennes), der Zeuge der Kreuzigung wird und ein paar Tage darauf von Pontius Pilatus den Auftrag erhält, den verschwundenen Leichnam von Jeshua aufzuspüren. Sowohl die Hinrichtung als auch die Auferstehung des Messias sind von vornherein ein Politikum: Indem sie den Wanderrabbi ans Kreuz nageln, wollen die Römer dem besetzten Land das Freiheitssymbol nehmen, doch das leere Grab bewirkt genau das Gegenteil.

In „Auferstanden“ ist das irdische Leben des Erlösers gewaltsam beendet – in seine frühen, in die von der Bibel nicht sehr ausführlich gewürdigten und deshalb für Ausschmückung offenen Jahre blendet „Der junge Messias“ zurück. Das Kind Jesus wächst mit seiner Familie im ägyptischen Exil in Alexandria auf; hier fühlt man sich fremd und hört die Nachricht von den geänderten Machtverhältnissen in Palästina nur zu gern, um in die Heimat zurückzukehren. Doch Herodes ist tot, es lebe Herodes – der vom Irrsinn heimgesuchte Sohn regiert mit umso härterer Hand.

„Der junge Messias“

Auch in „Der junge Messias“ sind die politischen Bedingungen der Zeit mehr als nur eine Kulisse, vor der sich die gleichsam überzeitliche Verklärung des Menschensohnes entspinnt. Das imperiale Rom hat unmittelbar Einfluss auf das Leben von Jesus, der im historischen Kontext sowohl als Religionsstifter wie als Revolutionär gedeutet wird. Rom ist dekadent und martialisch zugleich; das entstehende Christentum pur, asketisch und fröhlich. In „Auferstanden“ geht Reynolds so weit, die Jünger als eine Schar gut gelaunter Schwachköpfe darzustellen, die zur Verbreitung ihrer Lehre keine Argumente brauchen, sondern nur ein sonniges Gemüt. Davon lässt sich Clavius anstecken.

Im Falle von Jesus genügt es freilich nicht, immer nur zu lächeln. Auch seine Predigten reichen den Filmemachern nicht aus, um die Macht seiner Wirkung zu erklären. Zu diesem Zweck muss schon ein Wunder her.

An diesem Punkt verlässt beide Filme der Mut. Indem er Tote zum Leben erweckt und Blinde und Leprakranke heilt, überzeugt Jesus nicht allein seine Zeitgenossen davon, dass seine Heilsversprechen von einem göttlichen Vater wahr sind – seine Wunder richten sich auch an das heutige Kinopublikum, dem ebenfalls die Augen geöffnet werden sollen. Sie bezeugen die Authentizität der christlichen Lehre.

Es gibt keinen Mittelweg

Wenn allerdings die Geheilten in Glücksschreie ausbrechen und bekehrt davonhüpfen, geht von diesen Szenen nicht allein eine unfreiwillige Komik aus – sie wirken auch hoffnungslos unbedarft. Als hätte ein amerikanischer Kreationist, also einer, der die Bibel wörtlich nimmt, am Drehbuch mitgeschrieben, werfen beide Filme allen historischen Anspruch wieder über Bord. Was sie anstreben, kann nicht gutgehen: historisch akkurat und gleichzeitig Legendengeschichte zu sein.

In einem rührenden Mummenschanz nähern sich in „Der junge Messias“ die Weisen aus dem Morgenland, prachtvoll orientalisch gekleidet und mit feierlichen Mienen, der Krippe. Was mit politisch-historischer Ambition begann, endet bedauerlicherweise immer mehr in der reinen, aber naiven Unschuld des Kinderglaubens.

Jesus mit seiner Mutter in „Der junge Messias“
Jesus mit seiner Mutter in „Der junge Messias“
Verleih