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Kinderliteratur Kinderliteratur: Vor 80 Jahren hatte Pu der Bär seinen ersten Auftritt

Von Thomas Burmeister 13.10.2006, 09:50
Szenenbild aus «Ferkels großes Abenteuer» mit dem Bären Winnie-Puh und seinen Freunde Tigger, I-Aaah Rabbit und Ferkel (Foto: dpa)
Szenenbild aus «Ferkels großes Abenteuer» mit dem Bären Winnie-Puh und seinen Freunde Tigger, I-Aaah Rabbit und Ferkel (Foto: dpa) Enterpress Buena Vista

London/dpa. - Gleich im ersten Kapitel («In welchem wir Winnie-dem-Pu undeinigen Bienen vorgestellt werden und die Geschichten beginnen»)machte sein Schöpfer Alan Alexander Milne (1882-1956) klar, mit was für einem Burschen die Leser es fortan zu tun haben würden: Ein wenig schwer von Begriff - wie manche Kinder, wenn sie ins Bett gehen und rasch einschlafen sollen -, oft tollpatschig, grenzenlos gutmütig und stets versessen auf Süßes, am liebsten natürlich Honig.

Ganz genau genommen ist Pu sogar noch ein wenig älter als die 80-jährige Königin, die übrigens zu seinen Fans gehört und ihm zumGeburtstag sogar ihre Hof-Fotografin für ein offizielles Porträtauslieh. Schon in einem Gedicht von A.A. Milne für seinen 1920geborenen Sohn Christopher Robin, das 1924 erschien, betrat er alsBär Pu die literarische Bühne.

Davon nahmen aber nur wenige Notiz. Als eigentliche Geburtsstundegilt vielen Pu-ologen Heiligabend 1925. Damals brachten LondonerFamilienväter mit der Zeitung «Evening News» auch die ersteveröffentlichte Geschichte über «Winnie-The-Pooh» mit nach Hause.

«Seitdem hat er Generationen begeistert, hat unendlich vielenKindern Freude und Trost gespendet und einen riesigen Freundeskreisin der ganzen Welt gefunden», sagt die britische Pu-Expertin CindyRose von Walt Disney. Der amerikanische Entertainment-Riese, demlängst die Vermarktungsrechte an der Figur gehören, hat den Pu-Geburtstag mit sich über Monate hinziehenden «Events» inszeniert.

Dazu gehörte die Stern-Verleihung in Hollywood. Immerhin: NurMicky Maus macht bei Disney mit Büchern, Spielen und Stofftiereneinen deutlich größeren Umsatz als der englische Teddy. Seit 1926 inLondon der erste Band über den kleinen Petz erschien, sind weltweitmehr als 30 Millionen Pu-Bücher verkauft worden. Seine Abenteuer im«Hundert-Morgen-Wald» konnten und können Kinder und Eltern in mehrals 40 Sprachen nach- beziehungsweise vorlesen.

Dabei sind die kleinen Abenteuer, die Pu und seine Freunde Ferkel,«Tieger», Kaninchen, I-Aah, Kanga und natürlich der Christopher Robinerleben, eher unspektakulär. Kinderpsychologen sehen das Rezept fürden Erfolg vor allem darin, dass die Schrullen der knuddeligenFiguren Kindern helfen, mit eigenen Charakter- undStimmungsunebenheiten fertig zu werden.

So ist die Furcht vor Unbekanntem und vor eingebildeten Gefahren,mit denen Ferkel seine Freunde nervt, ebenso aus dem Leben gegriffenwie «Tiegers» Eitelkeit oder das vorlaute Getute von Kaninchen unddie Niedergeschlagenheit von I-Aah. Zur Pu-Faszination trugen auchdie herrlichen Illustrationen von Ernest Shepard bei. Die Vorlage fürseine Pu-Zeichnungen war der alte Familienteddy der Shepards. Milnehatte den Illustrator kennen gelernt, als er vierundzwanzigjährigRedaktionsassistent der Londoner Satire-Zeitschrift «Punch» wurde.

Ganz große Pu-Fans sammeln nicht nur die Bücher und Figuren,sondern organisieren auch Wanderungen durch den «Hundert-Morgen-Wald»(Ashwood Forest) in der südenglischen Grafschaft East Sussex. FamilieMilne besaß dort ein Landhäuschen. Als Heiligtum gilt Fans die voreinigen Jahren renovierte alte Holzbrücke, von der aus Pu undChristopher Robin «Pooh sticks» (Baumzweige) ins Wasser warfen.

Den Namen Winnie soll Milne von einem Bärenjungen im Londoner Zoogeborgt haben, das damals so getauft worden war. Wie es mit demZusatz Pu «wirklich» gewesen sein könnte, stellte sich Harry Rowohlt,der 1987 eine hoch gelobte Neuübersetzung anfertigte, so vor: EinesTages luden Milnes Freunde Keats und Chapman ihn auf ein «gepflegtesBierchen» ein. Der Autor lehnte ab. Er habe keine Zeit, denn er müsseeinen Namen für einen Bären finden. Den weiteren Verlauf schilderteRowohlt so: «"Na dann eben nicht", sagte Keats. "Wer nicht will derhat schon", sagte Chapman. "Puh!", rief Keats. "Genau", sagte Milne.»