«Keine Soldaten, kein Krieg» - Max Daetwylers Kampf für den Frieden
Berlin/dpa. - «Stell Dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin.» Auf die Umsetzung dieser sinngemäßen Übersetzung aus dem epischen Gedicht «The People, Yes» des amerikanischen Schriftstellers Carl Sandburg haben schon viele Antimilitaristen gehofft - der Schweizer Friedensaktivist Max Daetwyler (1886-1976) hat den Spruch gelebt.
Als die Schweiz beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 die Mobilmachung verfügte, verweigerte Daetywler den Militäreid und wurde so zum ersten Kriegsdienstverweigerer seines Heimatlandes. In der Folge machte der gelernte Kaufmann gegen den Krieg mobil - und wurde als «Friedensapostel mit der weißen Fahne» berühmt. Gut 30 Jahre nach seinem Tod ist die erste Biografie Daetwylers erschienen.
Daetwyler wurde nach seiner Verweigerung in die Psychiatrie eingewiesen. Dort wurde ihm eine Form der Schizophrenie attestiert - ein Gutachten, das ihn zwar vor dem Kriegsgericht bewahrte, allerdings auch für die Zukunft einen Stempel aufdrückte. Daetwylers Denken sei unscharf und unlogisch, heißt es dort unter anderem.
Nach seiner Entlassung 1915 gründete Daetwyler die Friedensarmee und begann zugleich, Spenden für seine Organisation zu sammeln. Des Öfteren kam Daetwyler wegen unerlaubter Sammlungen mit dem Gesetz in Konflikt, mehrere Male wollten die Behörden ihn entmündigen, als Grundlage diente das psychiatrische Gutachten. Dank der Weigerung seiner Heimatgemeinde Zumikon am Zürichsee kam es dazu jedoch nie.
Ein früher Höhepunkt seines Wirkens war der November 1917, als Daetwyler die Züricher Herbstunruhen initiierte. Was als Protest gegen den Betrieb von Munitionsfabriken begann, führte zu Straßenschlachten; es gab Tote und Verletzte. Daetwyler kam in Untersuchungshaft und anschließend erneut in die Psychiatrie.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg unternahm der Schweizer Friedensprediger trotz permanenter Geldsorgen mehrere Reisen, etwa in den Nahen Osten, in die Sowjetunion oder fünf mal in die USA, wo er zu Fuß von Washington nach New York wanderte. Doch so gut wie nie wurde Daetwyler von Regierungsvertretern empfangen - für die meisten Zeitgenossen war Daetwyler ein Spinner. Erst nach seinem Tod wurde er als Friedensikone anerkannt.
Verheiratet war Daetwyler seit 1918 mit Clara Brechbühl, mit der er eine Tochter und einen Sohn hatte. Sein Auskommen sicherte sich das Paar mehr schlecht als recht mit einer Gärtnerei. Mehrmals drohte Clara zwar damit, ihn zu verlassen. Doch das Paar lebte bis zu Claras Tod 1959 in Zumikon.
Autor der Biografie ist der Schweizer Stephan Bosch. Minutiös zeichnet er mit Hilfe der Aufzeichnungen Daetwylers dessen Weg zum «Friedensapostel» nach. Doch dabei lässt sich Bosch ein um das andere Mal zu langatmigen Beschreibungen hinreißen. Besonders in der ersten Hälfte der Erzählung greift Bosch zu häufig der Handlung voraus. Auch handwerkliche Fehler unterlaufen dem studierten Historiker: So unterstellt Bosch, Hitler habe am 30. Juni 1934 die SA-Spitze vernichtet, um «der Bedrohung aus den eigenen Reihen» zu begegnen - doch eine solche Bedrohung existierte nicht.
Bosch, Jahrgang 1947, wuchs ganz in der Nähe zu Daetwylers Wohnung am Zürichsee auf. Vielleicht ist dies ein Grund, dass Bosch dessen oft einsamen Protestmarsch mit großem Wohlwollen begleitet. Energisch wehrt er sich gegen die Einschätzung Daetwylers als Verrücktem: «In seinem Denken war er durchaus logisch und auf radikale Weise auch rational.» Max Daetwyler sei ein leuchtendes Vorbild. «Er ist eine Symbolfigur geblieben, die für das Gute steht.»
Stephan Bosch: Max Daetwyler - Der Friedensapostel. Mit der weißen Fahne um die Welt.
rüffer & rub, Zürich
384 Seiten, 28,40 Euro
ISBN: 978-3-9076-2533-0