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Karl-Eduard von Schnitzler Karl-Eduard von Schnitzler: Guten Abend, liebe Genossen!

Von Christian Eger 21.09.2001, 20:51

Halle/MZ. - Schnitzler, der 1918 in Berlin in die Familie des Generalkonsuls und Legationsraths Julius Eduard von Schnitzler (ein illegitimer Urenkel des 99-Tage-Kaisers Friedrich III.) hineingeboren wurde, beginnt früh, sein Milieu zu verachten. Er wächst in Köln auf, besucht ein Internat in Bad Godesberg. 1933 wird er von der Gestapo verhaftet, die Familie rettet ihn. Zur "Abschreckung" hat er sich in Leipzig den Prozess Dimitroff-Göring anzusehen. Ein Semester Medizin, dann Kriegsdienst - und Zeitenwende.

In Köln gründet Schnitzler 1946 den Nordwestdeutschen Rundfunk mit, ist dort bis 1947 Stellvertretender Intendant. Im selben Jahr siedelt er über in die DDR, tritt 1948 in die SED ein und macht Karriere. Aus "Kled" (sein Spitzname) wird sehr bald "Sudel-Ede" (sein Schimpfname). Doch stets verfügt Schnitzler auch über eine Hand voll hartnäckiger Fans. Eine Frau B. aus Halle zum Beispiel, die 1966 kritisiert, dass Schnitzlers Parteiabzeichen "immer sehr unordentlich angesteckt und die Nadel von außen zu sehen ist; sie gehört doch aber unter das Revers."

Olle Kamellen, nur noch winzige Witzigkeiten nach dem 89er Schnitt. Schnitzler tritt fortan nur noch als grantiger, polternder Greis in die Arena. Was hat die DDR falsch gemacht? Schnitzler: "Die Frage ist falsch. Sie muss lauten: Was haben wir richtig gemacht?" Ja, was? "Fast alles!" 1998 meldet sich Schnitzler bei der DKP, "um einmal einen anständigen Nachruf zu haben", sagt er. Die Nachrufe wären heute fällig. Es dürfte zu lesen sein, dass einer viel erleben kann, auch ohne Erfahrungen zu machen. Dass Bildung nicht vor Dummheit schützt. Und das nichts gemütlicher und trostloser ist als ein Weltbild, dem die Welt längst abhanden gekommen ist.Karl-Eduard von Schnitzler