Karikaturist Karikaturist: Haitzingers deftige Bilder bewegen Millionen Leser

München/dpa. - Die Geschichte der Bundesrepublik ist auch die von Horst Haitzinger: Seit knapp 50 Jahren begleitet der «Meister desdeftigen Strichs» die politische Entwicklung seiner Wahlheimat.«Inzwischen sind es wohl weit mehr als 14 000 Zeichnungen, abergezählt habe ich sie nicht», sagt der als Sohn eines Gendarmeriebeamten im oberösterreichischen Eferding geboreneKarikaturist. Sein Pensum: täglich eine Karikatur. Und dies soll auch noch eine Weile so bleiben, meint Haitzinger, der am Samstag (19. Juni) seinen 65. Geburtstag feiert.
«Dass ich älter werde, merke ich eigentlich nur an den anderen»,schmunzelt der Wahl-Münchner, der seit 1963 freischaffend arbeitet.«Die Politiker und die Chefredakteure sind inzwischen alle jünger alsich.» Doch dies ficht ihn nicht an. «Ich leide nicht unter meinemAlter.» Schwierig werde es jedoch, mit den Karikaturen auch diejüngeren Leser zu erreichen. «Die haben häufig nicht den Fundus, derzum Verständnis der Karikatur notwendig ist», meint Haitzinger, demdas Lachen über Fehler fremd geblieben ist. «Ich versuche immer,besser zu werden, damit ich den Level halte, den ich erreicht habe»,ist seine Devise.
Ob Helmut Kohl, Gerhard Schröder oder die Krisenherde der Welt,seine Karikaturen sind eine satirische Gesamtschau des täglichenpolitischen Lebens. Quer durch die Republik bedient Haitzinger dieZeitungen mit seiner spitzen Feder. Der vor einem Jahr gestorbeneJournalist Herbert Riehl-Heyse lobte Haitzingers Werk als einGeschichtsbuch mit eingebautem Psychogramm seines Hauptdarstellers.«Aufgabe des Karikaturisten ist es, die scheinbar Überlebensgroßenherunterzuholen auf Normalhöhe, um sie dadurch erst erträglich zumachen.» Dass auch dies nicht so einfach ist, sieht Haitzinger ganzpragmatisch: «Nach einer gewissen Zeit der Wiederholung bin ich überjede Veränderung froh.»
«Wenn man den Job so lange macht wie ich, wiederholen sich gewisseGrundkonstellationen.» Ob Kosovo, Somalia oder Irak: Für Haitzingerähneln sich die Fakten. Ans Aufhören denkt der Vater von zweiTöchtern aber noch lange nicht. Im Gegenteil: «Ich weiß im Moment garnicht, wo mir der Kopf vor lauter Arbeit steht, aber das ist bereitsein mehrjähriger Dauerzustand.» Die vielen «Dienstjahre» erleichternseinen Job nicht, meint der Illustrator, dessen Vorbild Wilhelm Buschist. «Bei einer gesunden Hemmung, sich ständig zu wiederholen, wirder eher schwieriger.» Neues versuche er in die Zeichnungen zu legen,indem er noch tiefer ins Detail gehe.
Dabei sei es hilfreich, sich jedes politische Geschehen sofort alsBühnenbild eines Theaterstücks vorzustellen. «Ich habe mirmittlerweile angewöhnt, in Bildern zu denken.» Besonders gerne greifter dabei auf literarische und biblische Symbole zurück. So verpassteHaitzinger dem früheren DDR-Staatschef Erich Honecker einFlammenschwert. Ex-Bundeskanzler Kohl kam dagegen auch schon einmalweniger heroisch als Lokomotive daher, die unbeirrt durch diepolitische Landschaft fährt. Nicht immer stießen seine Karikaturenauf Begeisterung. Ein Vorschlag für ein Werbeplakat der Europawahlen1994 scheiterte am Veto einiger Parlamentarier, die Haitzingersleicht bekleidete rothaarige «Europa» «schlichtweg geschmacklos»fanden.
Der Künstler selbst, der sein Handwerk beim «Simplicissimus»erlernte, nimmt seine Karikaturen oft nicht so ernst. Da darf einguter Witz auch schon einmal die politische Kritik ersetzen. «Übermeine Zeichnung zu den Castor-Transporten musste ich so richtiglachen», meint Haitzinger. Ein alter Mann hält ein Plakat hoch mitder Aufschrift «Fidel go home», worauf ein junger Demonstrant ihmzuruft: «Castor, Opa, nicht Castro.»