Karamba Diaby Karamba Diaby: Bundestagsabgeordneter der SPD und Hallenser von Herzen

Halle (Saale) - Wenn Politiker eine Weile im Geschäft sind, drängt es sie oft, Memoiren zu schreiben. Das kann, je nachdem, spannender oder weniger weniger spannend ausgehen.
Im Falle des halleschen Sozialdemokraten Karamba Diaby (54), der seit 2013 Mitglied des deutschen Bundestages ist, wird man gleich nach begonnener Lektüre feststellen: Dieses, soeben erschienene, Buch gehört zu den äußerst lesenswerten.
Karamba Diaby: Was macht die Biografie des SPD-Politikers interessant?
Lesung und Gespräch mit Karamba Diaby am Donnerstag, 20.15 Uhr, in der Buchhandlung Thalia in Halle, Marktplatz 3. Eintritt: Zwölf Euro, ermäßigt zehn Euro.
Eine weitere, sozusagen offizielle Buchpremiere gibt es nach dem Heimspiel in Halle dann am 21. November im ARD-Hauptstadtstudio in Berlin, wo Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Diabys Parteifreund, und der Journalist Ulrich Wickert mit dem Autor sprechen werden. In Halle wird der Verfasser dieses Beitrages die Freude haben, dies zu tun. (mz)
Was aber macht das Buch von Karamba Diaby so interessant? Es ist natürlich der nicht alltägliche Lebensweg des Verfassers selbst, dem die Journalistin Eva Sudholt bei der Arbeit am Text zur Seite stand: „Mit Karamba in den Bundestag“, heißt das bei Hoffmann und Campe erschienene Buch, der Untertitel erklärt die Besonderheit dieser Biografie in einem Satz: „Mein Weg vom Senegal ins deutsche Parlament“.
Nun hätte Diaby diesen Aufbruch gewissermaßen vom Absprung her erzählen können - von jenem Tag also, da er sich entschloss, sich um ein Studium im Ausland zu bewerben und schließlich eine Einladung nach Leipzig bekam, in die DDR.
Es hätte übrigens auch die Sowjetunion werden können, Bulgarien oder Ungarn - Diaby war das Land, in das die Reise gehen sollte, zunächst egal: Nur, dass er studieren wollte, eine Chance haben, seine Fähigkeiten auszubilden - das stand felsenfest für ihn.
Aber jede Geschichte hat eine Vorgeschichte, Karamba Diaby hat es für wichtig und nötig befunden, sie der Öffentlichkeit mitzuteilen. Das war eine gute Entscheidung, die Erfahrung des Politikers - und eines Schwarzen in Deutschland hat es ihm offensichtlich zwingend nahe gelegt, über seine afrikanische Herkunft nicht nur mehr als drei Sätze, sondern sehr ausführlich zu erzählen.
Karamba Diabys Biografie "Mit Karamba in den Bundestag“ ist chronologisch aufgebaut
Das tut dem Buch, das weitgehend chronologisch gebaut ist, gut. Und den Leserinnen und Lesern wird es sehr nützlich sein. Denn, Hand aufs Herz: Wer weiß eigentlich wirklich mehr als das Nachrichten-Übliche über Afrika - und dann noch über den Senegal?
Bürgerkriege, Putschversuche, Hungersnöte, Seuchen und Epidemien sind es, die einem stets zuerst einfallen, aber eigentlich hat kaum jemand eine Ahnung davon, wie Afrika „tickt“. Und, so scheint es zumindest angesichts der massiven Vorurteile, die man hierzulande Fremden - und dunkelhäutigen Migranten zumal entgegenbringt: Viele wollen es vielleicht auch gar nicht genauer wissen, weil es die Klischees gefährden könnte, die sie für ein Weltbild halten.
Und manche schreiben widerliche Hass-Mails an „die Nigger-sau“. Auch davon ist in Diabys Buch die Rede, aber eben nicht an erster Stelle. Dort steht, neben dem liebevollen, facettenreichen und auch kritischen Bild seines Geburtslandes, die freundliche, ja herzliche Aufnahme, die der junge Mann 1985 in der DDR fand - und die Zuneigung zu seiner Stadt Halle, die ihm Heimat geworden ist.
Und er findet warme Worte für Menschen wie Frau Doktor Winter, „die ich immer so nannte“, und ihre Familie - für Menschen, die ihn auf seinem Weg uneigennützig begleitet haben. Manchmal hätten ihn Frau Winter und ihr Mann anderen als ihr sechstes Kind vorgestellt, das rührt einen beim Lesen zutiefst.
Das Schönste an Diabys Buch sind aber zweifellos seine Aufrichtigkeit, sein Humor und der Mut, auch vermeintlich „schwierigen“ Themen nicht auszuweichen: Wie ist das mit der Vielehe in Afrika? Und wie geht die hierzulande höchst umstrittene Beschneidung von Knaben vor sich, welche Bedeutung hat sie? Und welche Rolle hat der Islam bei der Ausbildung Diabys gespielt, der sich schon bald von der Religion abwandte?
SPD-Bundestagsabgeordneter Karamba Diaby aus Halle geht in seiner Biogrie offen auf Probleme ein
Klar und offen geht der Autor auf diese Themen ein, er redet nicht um sie herum - eine Tugend, die man Politikern nicht grundsätzlich nachsagt. Köstlich ist, wie Diaby über sich als Ankömmling in der DDR berichtet, der außer BMW und Bundesliga keine deutschen Worte kannte - obendrein beides Begriffe, die ihm im Osten nicht entscheidend weiterhelfen konnten. Soviel wurde ihm schnell klar.
Doch der junge Mann wollte etwas schaffen im Leben, er hatte als Waise in seiner Heimat eine harte Schule durchlaufen müssen, auch wenn es immer Verwandte gab, die ihm weiterhalfen - mit Essen, Unterkunft, auch Geld.
Aber er stieß dann doch deutlich an Grenzen, spätestens als völlig mittelloser Student in der senegalesischen Hauptstadt Dakar wurde ihm klar: Hier würde er kaum eine Chance haben, sich einen Platz unter den Gebildeten zu erstreiten. An diesem Plan hielt er fest und kämpfte schließlich dafür, an einer richtigen Universität, nicht an einer Fachschule studieren zu dürfen.
Nach Halle, an die „Martin-Luther-King-Universität“ zog es ihn, man ließ es schließlich zu. Dort lernte er rasch, dass es jenen anderen Martin Luther gegeben - und was es mit ihm auf sich hatte.
Karamba Diabys Buch ist ein Plädoyer für die Neugier, die Toleranz, das Aufeinander-Zugehen geworden, ohne dass der Autor Moral „predigte“. Er berichtet, er formuliert Beobachtungen und Ansichten und setzt einen beim Lesen oft genug in Erstaunen - gerade auch mit seinem Blick auf deutsche Gewohnheiten: „Der erste Eindruck, an den ich mich erinnere, war eher der, dass hier alles furchtbar gut organisiert war.“
Das hat auch Nachteile, findet Diaby: Er schätze Verlässlichkeit, könne es aber nicht ausstehen, „wenn starrsinnig an einmal getroffenen Entscheidungen festgehalten wird, nur weil es schon immer so war“. (mz)
