Kammeroper Rheinsberg Kammeroper Rheinsberg: Mord im Internat
Rheinsberg/MZ. - In ein musikalisches Elite-Internat zur Förderung junger Sänger ist das preußische Schlösschen Rheinsberg in diesen Sommermonaten dank der Kammeroper-Saison ohnehin verwandelt, nun aber bringt der Regisseur und Ausstatter Georges Delnon die konzentrierte Arbeits-Situation in einer verschärften Variante auch auf die Bühne des Schlosstheaters. Für die Inszenierung von Antonio Vivaldis Oratorium "Juditha Triumphans" erinnerte er sich an dessen Uraufführung 1716 im venezianischen "Ospedale della Pietà", wo verwaisten Mädchen bei entsprechender Begabung eine musikalische Erziehung zuteil wurde.
Als Schauplatz der biblischen Geschichte entwarf sich der Intendant des Mainzer Staatstheaters darum einen Schlafsaal, der keinen Raum für privaten Rückzug lässt: Zwei mal vier Betten stehen in Reih und Glied am Rande, von der Decke baumeln zwei Turnerringe zur athletischen Triebabfuhr. Doch das gelegentliche Aushängen ihrer Glieder ist den Halbwüchsigen längst nicht mehr genug: Unter den Kopfkissen verstecken sie Männerhüte und -hosen, die Leibesvisitation durch die gestrenge Erzieherin ist ebenso erotisch aufgeladen wie die Hackordnung in der Gruppe.
Dass das Wasser im Waschbecken an der Wand abwechselnd hell und klar oder rot wie Blut oder Wein sprudelt, scheint da schon fast zuviel des Guten. Denn in der Beglaubigung seiner Idee kann sich Delnon auch ohne solche symbolistischen Effekte durchaus auf Vivaldi verlassen: Prunkvolle militärische Fanfaren und kräftige Chöre wechseln mit innigen und oft apart instrumentierten Arien, die in ihrer Verzückung den Grenzbereich von Liebe und Rache ausloten. Dass er sich dank der mehr als 400Bewerbungen auf ein erstklassiges Sängerinnen-Ensemble - darunter neben den erfahrenen Protagonistinnen Gillian Crichton und Ulrike Mayer auch die an der halleschen Musikpädagogik ausgebildete Heike Bader aus Sangerhausen - stützen könne, war ohnehin erwartbar.
Staunen durfte man hingegen spätestens beim Schlussapplaus, als der energische Dirigent Oliver Weder seine Musiker aus dem Graben auf die Bühne bat: Dass das Landesjugendsinfonieorchester Brandenburg tatsächlich so jung besetzt sein würde, wollte man unter dem bleibenden Eindruck ihrer couragierten und auch quantitativ immensen Leistung kaum glauben.
So wurde auch hier der pädagogische Anspruch eingelöst, wenngleich er natürlich ohne den Drill der Gouvernante auf der Bühne auszukommen schien. Als diese nämlich den Part des Hohepriesters Ozias übernommen hatte, war die fragile Balance der Konzeption in eine zynische Schlusspointe gekippt: Der Tod der jungen Frau, die sich die Rolle des Holofernes auch in ihrer Kraftprobe mit dieser Domina erobert hatte, wirkte nun als spielerisch-brutale Zähmung einer kaum zu beherrschenden Schar.
Dass diese Volte nur mit dramaturgischer Gewalt zu erzwingen war, konnte den überzeugenden Gesamteindruck kaum trüben. Delnon war es mit seinem Spiel im Spiel gelungen, eine ausschließlich weibliche Besetzung zugleich zu begründen und zu problematisieren. Ob ihm damit die Kanonisierung des selten gespielten Werk gelungen ist, muss angesichts der gespaltenen Zuschauerreaktion aber bezweifelt werden.
Weitere Vorstellungen: 29. und 30. Juli, jeweils 20 Uhr