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Jürgen Trimborn Jürgen Trimborn: «Rudi Carrell - Ein Leben für die Show»

Von Wilfried Mommert 15.08.2006, 08:57
Rudi Carrell und Beatrice Richter beim Spaghetti-Essen in einer Szene von Carrells «Tagesshow». (Foto: dpa)
Rudi Carrell und Beatrice Richter beim Spaghetti-Essen in einer Szene von Carrells «Tagesshow». (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - Er hat das im Juni 2006, einen Monat vor seinem Tod,niedergeschrieben, zu lesen jetzt im Geleitwort zu seiner von JürgenTrimborn («Leni Riefenstahl») verfassten Biografie mit demprogrammatischen Titel «Ein Leben für die Show». Wohl selten ist eineso fundierte und bekenntnisreiche Biografie in nur einem Vierteljahrseit dem gegenseitigen Kennenlernen von Autor und «Titelheld» zuStande gekommen, an der beide bis kurz vor dem Tod Carrells am 7.Juli 2006 im Alter von 71 Jahren intensiv gearbeitet haben (seineletzte im Buch wiedergegebene E-Mail an Trimborn datiert vom 29. Juni2006).

Wenn die berufliche Karriere des «deutschen Holländers» RudolfWijbrand Kesselaar aus Alkmaar schon genügend Material für ganzeRomane hergibt, so zeigt diese umfangreiche Biografie auf 570 Seitenaber auch, wie viel dramatischen Stoff auch Carrells privates Lebenbirgt. Denn nach dem erstaunlich offenherzigen Einblick, den Carrellam Ende seines Lebens den ihm bis dahin persönlich unbekannten Autorin sein von Tragödien überschattetes Privatleben gibt, drängt sichdem Leser geradezu das - hier offenbar Wirklichkeit gewordene -Klischee vom «traurigen Clown» auf. Rudi Carrell war wohl in Wahrheitein einsamer Mensch, der sich in seine Shows flüchtete, für die ereigentlich nur lebte, wie selbst seine Familienangehörigen zu spürenbekommen sollten.

Im einem deutlichen Gegensatz stehen hier Carrells eigeneBekundungen, ein überaus glückliches Leben gehabt zu haben und dievon ihm aber auch eingestandenen und von vielen Kollegen,Weggefährten und Familienangehörigen bestätigte Tatsache, dass ereigentlich nie wirkliche Freunde in seinem Leben gehabt habe. Der«Witzbold mit der goldenen Nase» und «Beckenbauer des Showgeschäfts»,wie er auch genannt wurde, räumte ein: «Freunde habe ich nicht, willich nicht.» Sein langjähriger TV-Partner Jochen Busse aus «7 Tage - 7Köpfe» meinte denn auch einmal: «Ich glaube, Rudi ist auch nurberuflich.»

Schon in den 70er Jahren sehen Journalisten in Carrell einen«Berufswitzbold, der seine Frohnatur in der Garderobe lässt undprivat eher ruppig, nervös und übellaunig ist». Er ist in denFernsehstudios wegen seiner Wutausbrüche gefürchtet (Beatrice Richterbekommt deswegen Magenschmerzen) und gesteht einmal selbst: «Ich bineine Riesenarschloch. Ich bin egoistisch, fast egomanisch,übelnehmend, eitel, unstet, nachtragend und untreu. Nur meinem Berufbin ich treu.»

Das zeigt er zum Beispiel in erstaunlicher Weise in jener Zeit dergrößten privaten Katastrophen Ende der 90er Jahre, als seine FrauAnke im Sterben liegt und seine neue Lebensgefährtin, mit der der«Frauenheld» gleichzeitig schon seit längerem zusammenlebte,ebenfalls schwer krank ist und ihn ebenfalls nicht überleben sollte.Jeden Freitagabend brillierte er damals, auch nach dem Tod Ankes nacheiner nur kurzen TV-Pause, mit neuen Gags und Witzen im Kreis seiner«7 Tage»-Kollegen auf dem Bildschirm. Von beiden Frauen ist er ausdem Haus geworfen und von einer auch geschlagen worden, wie erfreimütig erzählte. Nach dem Tod Ankes, von der Carrell sich trotzseiner Beziehungen zu anderen Frauen nie scheiden ließ, sieht SohnAlexander seinen Vater zum ersten Mal weinen.

Aber Rudi Carrells Leben bleibt dem Fernsehen und der Show biszuletzt verbunden. Über alle damit verbundenen Höhen und Tiefen gibter in dieser Biografie, die Carrells Wunsch gemäß zeitgleich inniederländischer Übersetzung erschienen ist, noch einmal bereitwilligAuskunft. Er schildert seine ersten beruflichen Anfänge alsJugendlicher in Holland Anfang der 50er Jahre an der Seite seinesVaters, einem beliebten Conférencier, bis zu seinem Aufstieg zu einemder größten Showmaster im deutschen Fernsehen. Er versammelt mitSendungen wie der «Rudi-Carrell-Show» oder «Rudis Tagesshow» und vorallem der großen Samstagabend-Show «Am laufenden Band» nicht nur dieZuschauermassen vor dem Bildschirm, sondern setzt auch Maßstäbe inder deutschen TV-Unterhaltung und beweist zudem ein erstaunlichesGespür für neue Trends in der Branche.

Dabei bleibt Carrell nicht frei von Selbstüberheblichkeit undGiftereien auf Kollegen, die aber auch zurückgiften können («vomQuoten- zum Zotenkönig am deutschen Stammtisch»). Aber Carrell zeigtauch frühe Anerkennung für kommende Talente wie Thomas Gottschalk,Günther Jauch oder Dieter Nuhr. Alles in allem war Carrells Leben«eine einzige Suche nach einer guten Pointe», wie Alfred Biolek esausdrückte. «Ich habe den Deutschen das Lachen beigebracht», meinteCarrell selbstbewusst. «Es war eine Ehre für mich, in DeutschlandFernsehen machen zu dürfen. Ich habe ein so tolles Leben gehabt.Ende.» Manche Menschen in seiner näheren Umgebung, so beschreibt dieBiografie schonungslos, sind daran fast verzweifelt, und Millionensaßen begeistert vor dem Bildschirm, wenn Carrell seine Späße machte.«Ich werde noch lange in Wiederholungen weiterleben», prophezeite derShowmaster noch kurz vor seinem Tod.

Jürgen Trimborn: Rudi Carrell - Ein Leben für die Show
C. Bertelsmann, München
570 S., Euro 19,95
ISBN 10: 3-570-00941-6