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Juli Zeh debütiert mit «Corpus delicti» als Dramatikerin

Von Ulrich Fischer 21.09.2007, 12:15

Essen/dpa. - Juli Zeh, 1974 in Bonn geboren, hat sich als Autorin von Romanen einen Namen gemacht. Schon ihr Debüt «Adler und Engel» erregte Aufmerksamkeit. Sie hat eine ungewöhnliche Biografie für eine Schriftstellerin: sie ist von Haus aus Juristin.

Als die RuhrTriennale sie fragte, ob sie ein Stück schreiben wolle, sagte sie zu. Ihr Bühnenerstling hat einen juristischen Titel bekommen: «Corpus delicti». Der einhellige Schlussbeifall war lebhaft bei der Uraufführung in der ausverkauften Zeche Karl in Essen. Juli Zeh hat mit ihrem Dramatikerinnendebüt «Corpus delicti» eine negative Utopie geschrieben. Das Stück spielt 2057. Deutschland ist eine Gesundheitsdiktatur geworden. Rauchen ist strafbar!

Im Mittelpunkt steht Mia, eine junge, hochbegabte Biologin. Sie gerät in Konflikt mit den Behörden wegen ihres Bruders. Er war angeklagt worden, seine Freundin vergewaltigt und ermordet zu haben. Obwohl die Beweislage fast keinen Zweifel zulässt, traut Mia ihrem Bruder ein solches Verbrechen nicht zu. Auch noch, nachdem er verurteilt worden ist, sucht Mia nach Entlastungsgründen. Sie findet sie und beweist, dass das Urteil fragwürdig ist. Damit bringt sie die Justiz gegen sich auf ­ und gerät selbst ins Fadenkreuz der Verfolgung.

Juli Zeh schweift bei der Fabel häufig ab, die Figuren sind ihr besser gelungen: vor allem Mia, die Protagonistin; aber auch die Richterin, die hinter der Maske der Wohlmeinenden knallhart die Interessen der Justiz vertritt; Mias Anwalt, der sich auf Kosten seiner Mandantin öffentlich profilieren möchte; und ein alter Medienmensch, der sich zum Büttel der Herrschenden herabwürdigt.

Am besten sind die Gerichtsszenen geglückt, hier kennt sich Juli Zeh als Juristin aus. Die Strafprozessordnung erscheint in «Corpus delicti» als Instrument in den Händen der Kenner, politisch Missliebige zu Sündenböcken zu stempeln.

Anja Gronau hat bei ihrer Uraufführungsinszenierung viel gestrichen, dennoch bleiben zu üppige Reflexionen und Beschreibungen, die den Fortgang der Handlung hemmen. Mehrere Darsteller haben wegen des mit Reflexionen überfrachteten Dialogs leichte Textunsicherheiten - aber das wird ausgeglichen von Anne Ratte-Polle. Sie spielt Mia und erinnert an große Frauengestalten des Theaters, an Antigone und die Heilige Johanna. Anne Ratte-Polle spielt eine junge Frau, die ihre Rechte energisch und kompromisslos verteidigt. Nicht sie steht vor dem Gericht der Zuschauer, sondern der Staat, der sie zum Tode verurteilt - die Szene wird zum Tribunal.