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Jubiläum Jubiläum: Meister der heiteren Muse

Von UTE VAN DER SANDEN 01.02.2010, 17:36

HALLE/MZ. - So wäre Domenico Cimarosas "Operndirektor" vermutlich nie zu höherem Ruhm gekommen, gäbe es nicht die Aufnahme der "Orchesterprobe" mit Reiner Süß als Pult-Tyrann. Wie der Sänger, der heute seinen 80. Geburtstag feiert, die Musiker schikanierte, die Hornisten exerzieren ließ und Geiger tadelte, wie er schließlich in höchster Verblüffung "Was ist los? Das ganze Orchester geht!" rief: Das war große Kunst, das besaß eine Plastizität, die keine Bilder brauchte.

Spezialist für schrullige Despoten

Auch die "Singschule" aus Albert Lortzings "Zar und Zimmermann" gehört zu den unvergessenen audiophilen Momenten in den Biografien von Radio-DDR-II-Hörern. Für den, der Reiner Süß einmal als van Bett hörte, vielleicht sogar sah, wird die Figur des Bürgermeisters für immer mit dem Bassbuffo verbunden sein. Die klassischen Spielopern von Mozart, Donizetti, Rossini und Lortzing waren sein Metier. In schrulligen Despoten vereinigten sich seine besten Eigenschaften, trafen der glänzende Komödiant, der intelligente Charakterdarsteller auf den Donnerbass mit der natürlichen Autorität.

Man würde jedoch seiner Vielseitigkeit nicht gerecht, wollte man Reiner Süß auf den komischen Alten reduzieren. In seinen soeben erschienenen Erinnerungen hält er plaudernd Rückschau auf sein Bühnenleben. Das Buch, eher Anekdotensammlung als Autobiografie, dient jenem Zweck, der den Sänger immer schon antrieb: der Unterhaltung. Reiner Süß, der vieles konnte, vieles lernte und sich für vieles nicht zu schade war, hat allerhand zu erzählen.

Als Thomaner trat er nach dem Krieg für Kartoffeln auf. Als Ersatztänzer in Tschaikowskys "Eugen Onegin" auf der Leipziger Opernbühne hängte er sein Schicksal ans Theater. Mit der Registerarie aus Mozarts "Don Giovanni" und der "Fünftausend Taler"-Partie aus Lortzings Wildschütz wurde er zunächst in Bernburg genommen, wechselte rasch ans Landestheater Halle, wo er Händel sang und die ersten großen Partien seines Faches wie den Baron Ochs in Strauss' "Rosenkavalier". Damit brillierte er kurz darauf auch an der Berliner Staatsoper, unter Leitung von Franz Konwitschny übrigens. Hier feierte er mit Paul Dessaus "Puntila" einen Riesenerfolg, vielleicht seinen größten als Opernsänger. Premiere war 1966, nach halbjähriger Probenphase. Ruth Berghaus, Paul Dessaus Ehefrau, inszenierte, Otmar Suitner dirigierte, und im Publikum, erinnert sich Reiner Süß, saßen Luigi Nono, Hans Werner Henze und die Brecht-Witwe Helene Weigel.

Sein Engagement im Unterhaltungsbetrieb des DDR-Fernsehens hat Reiner Süß nicht nur Sympathien eingetragen. Erst nur gelegentlich, dann regelmäßig stand er vor der Kamera, schließlich moderierte er über 18 Jahre "Da liegt Musike drin" aus dem Haus der Heiteren Muse in Leipzig. Er war das Gesicht dieser Sendung, ihr Motor und ihre Brille. Er holte die Thomaner ins Programm und Martin Hellberg, der den "Osterspaziergang" rezitierte, er präsentierte, als größten Knüller, die Olsenbande.

Schluss nach 100. Sendung

Auf dem Höhepunkt seiner Popularität absolvierte Reiner Süß die 100. "Musike"-Sendung, danach war Schluss - auch mit der exorbitanten öffentlichen Wahrnehmung. Er versuchte sich in der Berliner Kommunalpolitik, spielte in Musicals und Operetten, gastierte in Thale und Magdeburg, in Gera, Bad Lauchstädt und Dessau, wo er noch 2004 den Oberst Ollendorf in Millöckers "Bettelstudent" gab.

Und mit etwas Glück trifft man ihn heute noch auf irgendeiner Bühne an: Ihn, der seine Leser mit den Worten verabschiedet, er "habe einen Mordsdusel gehabt". Ihn, den man einen Volkskünstler nennen dürfte, wären unter diesem Begriff nicht auch all jene versammelt worden, die unter seinem Niveau arbeiteten. Dies aber sei allen guten Wünschen an den heute 80-Jährigen getrost hinzugefügt: Danke, Reiner Süß!

Reiner Süß: Da lag Musike drin. Lehmstedt Verlag, Leipzig, 192 S., 14,90 Euro