Jubiläum Jubiläum: Ein Traktor, ein Heiratsantrag und 50 Jahre Autokino

Frankfurt/dpa. - Gemütlich im Auto sitzen und vor sich eineriesige Filmleinwand? Dieses Kinoerlebnis gibt es seit genau 50Jahren in Deutschland. Mit dem Autokino in Gravenbruch bei Frankfurt- dem ältesten in Mitteleuropa - startete am 31. März 1950 eine ganzneue Art von Freizeitvergnügen. Als erster Film flimmerte vorstaunenden Zuschauern unweit der Autobahn der Oscar-gekrönte Streifen«Der König und ich» mit Yul Brunner und Deborah Kerr über dieLeinwand. Schon in den ersten fünf Monaten kamen 250 000 Besucher.Die Erfindung des US-Amerikaners Richard Milton Hollingshead aus demJahr 1933 begeisterte 1960 auch die Menschen im Rhein-Main-Gebiet -unter ihnen die vielen damals noch dort stationierten US-Soldaten.
Bald war das neue Filmerlebnis der Gesprächsstoff unter jungenLeuten rund um Frankfurt. «Die Autokinos sind wie Pilze aus dem Bodengeschossen», erzählt Filmvorführer Ernst Schneider. Er ist heute 71Jahre alt und immer noch dabei, wenn Not am Mann ist.
Schneider gerät ins Schwärmen, wenn er von der guten alten Zeit inden 70er und 80er Jahren erzählt. «Das war schon eine große Sache.»Autokino wurde nicht nur in Deutschland Kult. Filme unterSternenhimmel. Günstige Eintrittspreise, vor allem für Familien. ImAuto war man für sich - was besonders Liebespaare schätzten und mitVorliebe die letzte Reihe ansteuerten.
Es gab jede Menge Stammgäste in Gravenbruch - auch bunte Vögel.«Ein Traktorfahrer hatte hinten einen Hänger dran mit Wohnzimmer-Einrichtung drauf», erinnert sich Helga Lehne, heute 68 und früherfür Essen und Trinken zuständig. Die Renner: Hamburger und der«Gravenbrucher», eine gut gewürzte Hackfleischpastete im Blätterteig.Das Autokino half auch der Fastfood-Kultur.
«Als Filmvorführer war ich immer mitten im Geschehen», erzähltSchneider. «Bei einem Filmriss wurde in 1100 Autos sofort auf dieHupe gedrückt.» Auch Stromausfall war gefürchtet: «Wenn plötzlich inganz Gravenbruch nichts mehr ging, musste ich mit der Taschenlampe inder Hand nachts das Eintrittsgeld wieder zurückgeben.»
Die Lautsprecher mussten sich die Zuschauer von einer Service-Säule ins Auto holen, genauso wie die Heizung. «Manch einer hat nachder Vorstellung die Lautsprecher vergessen und ist einfachlosgefahren», beschreibt Lehne. Mitunter muss für das eine oderandere Pärchen der Film ganz plötzlich zu Ende gewesen sein. «Wirhaben sogar Schuhe gefunden, die vergessen worden waren», berichtetLehne.
Die große Zeit des Autokinos ist lange vorbei. Fernseher undVideos und auch die DVDs sind für die meisten interessanter. Unddurch die Einführung der Sommerzeit ist es abends länger hell,erzählt der Chef Heiko Desch vom Betreiber Drive In. Die Filme könnenerst später beginnen, was ebenfalls die Besucherzahlen drücke. NachGravenbruch kamen in den Glanzzeiten rund 500 000 Besucher im Jahr.Heute sind es noch 100 000 - eine feste Anhängerschaft. Nur etwa«zwei Handvoll» Autokinos gebe es in Deutschland noch.
In Gravenbruch werden samstags auf dem RiesengeländeGebrauchtwagen verkauft. «Ohne Automarkt gäbe es auch hier keinAutokino mehr», meint Desch. Ein echter Knaller sei aber auch heutenoch ein Heiratsantrag auf der Riesenleinwand vor den Augen allerZuschauer - ein Dia und ein bisschen Text genügen. «Dann tobt derganze Platz», erzählt Desch. «Das ist Gänsehautfeeling.»