Jubilar Jubilar: Der laute Streit um den «Stillen Don»
Halle/MZ. - Epos ohne Happy End
Scholochow, der heute vor 100 Jahren in Rostow am Don geboren wurde, war 23 als der erste Band seines vierteiligen Erfolgsromans "Der stille Don" erschien. Ein damals sensationeller Wurf. Erzählt wird die Geschichte des Kosaken Grigori Melechow, der von der Zarenarmee zu den Bolschewiken überläuft, um sich dann mit den Donkosaken 1919 gegen die Rote Armee zu erheben, deren Kriegsverbrechen nicht ausgeblendet werden. Ein Kosaken-Epos ohne Happy End, nicht ungefährlich in Zeiten der Liquidierung der Reiter-Bauern. Von "Kulakenliteratur" war sofort die Rede - ein Todesurteil, hätte nicht Stalin persönlich die Hand über Scholochow gehalten. Der Diktator liebte es, den Hütern seiner Lehre von Zeit zu Zeit in den Rücken zu fallen. Letzteres übernahmen hier andere. Bereits 1928 tauchten Gerüchte auf, dass nicht Scholochow, sondern der kosakische Schriftsteller Fjodor Krjukow der Autor gewesen sei - ein weißgardistischer Offizier, der 1920 an Typhus starb.
Für die These spricht einiges: Krjukows Erfahrung, das Fehlen eines Manuskripts, die stilistische Differenz zum Scholochow-Werk ("Neuland unterm Pflug", "Ein Menschenschicksal"), der Umstand, dass der Beschuldigte wenig unternahm, um die Plagiatsvorwürfe zu entkräften. Es gebe sogar, meldete nun die Neue Zürcher Zeitung, einen Amateurfilm von 1975, in dem Scholochow auf die Autoren-Frage hin die Kosaken unter Tränen um Verzeihung gebeten haben soll.
Stalin indes legte 1929 Scholochow als einzigen Autor fest und bestand nur darauf, dass Trotzki im Roman nicht genannt werden dürfe. Allein der Streit ist noch längst nicht ausgefochten. Computergestützte Stilanalysen aus den USA und Norwegen haben nun ergeben, dass Scholochow den Roman wahrscheinlich doch selbst verfasst hat - 1987 waren über 800 Manuskriptseiten des ersten Romanteils in der Handschrift Scholochows aufgetaucht. Selbstverständlich kann Scholochow andere Papiere als Romanvorlage genutzt haben, aber die Buch- ist längst eine Staatsfrage.
Chefsache für Putin
Der ehemalige Premier Tschernomyrdin hat das flammende Geleitwort zur jüngsten Ausgabe des Romans verfasst, Präsident Putin die Durchführung eines Scholochow-Jahres befohlen. Das Nobelpreis-Prestige teilte ja Scholochow - der seinerseits Pasternak ("Dichter alter Jungfern") und Solschenyzin ("Schädling") als preisunwürdig beschimpfte - mit der Führung in Moskau. Der sind auch Legenden zu ihrer Selbsterhöhung recht.