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"Der Rote Gott" Josef Stalin: Ausstellung "Der Rote Gott" setzt sich mit Stalin-Kult in der DDR auseinander

Von Jutta Schütz 25.01.2018, 07:36
Kurator Andreas Engwert beobachtet. die Büste des sowjetischen Partei-und Regierungschefs Josef Stalin in einer Sonderausstellung der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen.
Kurator Andreas Engwert beobachtet. die Büste des sowjetischen Partei-und Regierungschefs Josef Stalin in einer Sonderausstellung der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. dpa-Zentralbild

Berlin - Tonnenschwer und riesengroß - eine einst geschleifte Stalin-Figur entdeckten Historiker auf dem Hof eines Unternehmers in der Mongolei. Die viereinhalb Meter hohe Bronze-Statue ist nun in Berlin Teil einer neuen Ausstellung in der Stasiopfer-Gedenkstätte.

Die Schau „Der Rote Gott - Stalin und die Deutschen“ setzt sich mit dem Personenkult um Stalin in der frühen DDR auseinander. Der Abguss des sowjetischen Diktators aus dem einst sozialistischen Bruderstaat wurde aber nicht aufgestellt, sondern liegt am Eingang symbolisch am Boden. Am Donnerstag (19.00 Uhr) wird die Sonderausstellung eröffnet, ab Freitag ist sie für Besucher frei zugänglich.

Dass ein Diktator und Massenmörder so vergöttert werden konnte, sei heute nur noch schwer zu verstehen, sagt der Leiter der Gedenkstätte, Hubertus Knabe. Auf erschreckende Weise werde deutlich, wie manipulierbar Menschen seien.

Zweifelhaftes Vorbild der Sowjets: Partei- und Regierungschef Josef Stalin

Anhand von Büchern, Plakaten, gefälschten Fotos, Propagandafilmen und zahlreichen Objekten wird dokumentiert, wie die SED-Führung unter Walter Ulbricht alles daran setzte, die Ostdeutschen auf den sowjetischen Partei- und Regierungschef Josef Stalin als großes Vorbild einzuschwören - mit Massenaufmärschen und absurden Huldigungen für den „größten Genius unserer Epoche“.

Die Ausstellung ist bis 30. Juni zu sehen.
Der Eintritt ist kostenlos.

„Schon bei der Biografie Stalins wurde geschönt und gefakt - wir stellen die historischen Fakten entgegen“, sagt Ausstellungsleiter Andreas Engwert. So habe Stalin selbst sein Geburtsdatum verändert und sich ein Jahr jünger gemacht: offiziell wurde er demnach 1879 geboren, in Wirklichkeit aber 1878. Zu den Tatsachen gehört auch eine von Stalin mit rotem Stift unterzeichnete Todesliste, die für den Großen Terror in den 30er Jahren in der Sowjetunion steht, dem Hunderttausende zum Opfer fielen.

Nach dem Moskauer Exil während der Nazizeit sei Ulbricht zusammen mit Wilhelm Pieck, dem ersten DDR-Präsidenten, Fackelträger des Stalinismus gewesen, so Engwert. Eine Folge sei das Gefängnis Hohenschönhausen gewesen, zunächst zentrale Untersuchungshaft der sowjetischen Besatzer, dann der Stasi, der DDR-Geheimpolizei.

Stalin-Parks, Stalin-Seen:  Der Kult um Josef Stalin nahm teils bizarre Züge an

Wer sich der Stalin-Propaganda verweigerte, konnte schnell im Gefängnis landen. Abgeurteilt in Schauprozessen der SED, traf es immer wieder die eigenen Genossen. „Geständnisse“ seien erpresst worden. Die neue Partei sei so von vermeintlichen Verrätern und Abtrünnigen gesäubert worden - nach sowjetischem Vorbild. Historiker Engwert betont: Stalinismus war ein politisches System. Ausgestellt ist auch die abgeschabte Jacke eines politischen Häftlings. „Mich berührt das Schicksal der Opfer immer wieder“, sagt der 49-Jährige.

„Studiert Stalin - lernt von Stalin - kämpft mit Stalin“ steht auf einer Liste mit etwa 20 Losungen für einen Aufmarsch in Ost-Berlin. „Absurd, krass“, so der Historiker. Der 70. Geburtstag Stalins sei im Ostblock mit gigantischen Kundgebungen begangen worden. Und aus Ost-Berlin wurde das Modell einer U-Bahn im Glaskasten mit dem Spruch „Dem Aufrichtigen Freund des Deutschen Volkes“ nach Moskau geschickt. Das Geschenk kam nun aus einem Moskauer Museum wie der mongolische Bronze-Stalin als Leihgabe nach Berlin.

Ulbricht: „Es gab und es gibt keinen Stalinismus in der DDR“

Über die „Vaterfigur Stalin“ sollte versucht werden, Menschen an das SED-System zu binden, stellt der Historiker fest. Gerade junge Frauen und Männer, die nach dem Krieg neu beginnen und die zerstörten Städte aufbauen wollten, seien auf diese Weise missbraucht worden. „Es war der Glaube an die gute Sache, die blind macht.“ Der importierte Stalinismus schlug sich auch in Stalin-Parks, Stalin-Seen und der Berliner Stalin-Allee nieder.

Aufgespürt haben die Ausstellungsmacher auch einen Entwurf aus dem Jahr 1951 für ein neues Stadtzentrum in Ost-Berlin - wieder nach sowjetischem Vorbild. Ein riesiger Regierungspalast im Zuckerbäckerstil sollte gebaut werden - nahe dem jetzt neu entstehenden Stadtschloss. Dafür sei auch der Abriss des Berliner Doms einkalkuliert worden, so Engwert. Doch dazu kam es nicht. 

An einer Wand prangt ein gelbes Ortsschild. Stalinstadt steht darauf. Die sozialistische Musterstadt im heutigen Brandenburg wurde nach dem Tod des Diktators 1953 so benannt, erst Jahre später wurde Eisenhüttenstadt daraus. Auch ein wuchtiger Stalin-Kopf aus Bronze ist zu besichtigen. Als die Verbrechen Stalins bekannt wurden und er als Denkmal nicht mehr taugte, wurde er in Gera vom Sockel genommen. Interessanterweise überdauerte er in einem Museumsdepot die DDR.

Am Ende des Rundgangs ist ein Interview des SED-Machthabers Ulbricht zu hören, auf dessen Konto auch der Bau der Mauer ging. Einem westlichen Journalisten beteuert der SED-Chef: „Es gab und es gibt keinen Stalinismus in der DDR“. Für Historiker Engwert ist das eine „Verfälschung der Geschichte“.  (dpa)