John Ronald Reuel Tolkien John Ronald Reuel Tolkien: Herr der Ringe wird von Geschöpfen eingeholt

Halle/MZ. - Würde John Ronald Reuel Tolkien heute noch leben - es wäre ihm wohl nichts anders übrig geblieben, als sein Bankkonto zu plündern und mit dem Geld ein gigantisches, unerreichbares Fest zu schmeißen für seine weltweit auf diesen Tag hinfiebernde Fan-Gemeinde. Ein Fest mit Geschenken für alle, Jahrhundertfeuerwerk und Bergen von gutem Tabak.
Weil aber Tolkien, Verfasser der Trilogie "Der Herr der Ringe", einen Jugend spendenden Ring nur erfunden, nicht aber getragen hat, muss sein 111. Geburtstag, heute ohne ihn stattfinden. Wir sehen sie vor uns - die in Elbenmäntel, Zwergenharnische und Ork-Rüstungen gewandeten Anhänger - wie sie mit Fackeln und ernsten Minen zum Friedhof von Wolvercote bei Oxford ziehen, um hernach wehmütige Heldenlieder in unverständlichen Sprachen anzustimmen. Tolkien hätte in diesem Festzug vermutlich das Kostüm eines Hobbits bevorzugt - derjenigen pelzfüßigen Spezies also, die im Mittelpunkt seines Jahrhundertromans steht.
Und 111 Jahre, das ist denn auch ein typisches Hobbit-Jubiläum, welches der Meister bis zur Besteckordnung des Desserts ausstaffiert hat und das zu Beginn des "Herren der Ringe" tatsächlich stattfindet: Bilbo Beutlin, Urvater aller mutigen Hobbits, bittet da an seinem Lebensabend noch einmal das ganze Auenland zu seinem "einundelfzigsten" Geburtstag.
Dass Tolkien, der am 3. Januar 1892 in Südafrika geboren wurde, sich manchmal selbst wie ein Hobbit fühlte, war angesichts der Mühe und Zeit, die er zwischen 1937 und 1949 in seine Parallelwelt Mittelerde investierte, kaum zu vermeiden. "Ich kann", hat der Sprachenforscher einmal formuliert, "zwischen Pflicht und Privatleben nicht unterscheiden." In der Tat hat Tolkien dem "Herren der Ringe" all seine Fähigkeiten geliehen: die Kenntnis zahlloser Sprachen, das Wissen um die Mythologie ganzer Völker und die Energie, eine Fiktion Wirklichkeit werden zu lassen.
Mit John Ronald R. Tolkien haben Millionen von Anhängern bereitwillig die Schwelle zwischen Fantasie und Realität überschritten - und das nicht erst seit Peter Jacksons gewaltige Filmen die Multiplex-Kinos erstürmen. Der Meister hätte mit seinen Fans, bei aller Zurückhaltung, gewiss gern ein rauschendes Fest gefeiert. Und wenn ihm alles zu viel geworden wäre, hätte er das Gleiche tun können wie Bilbo: Einfach den Ring der Macht aufsetzen und verschwinden.