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John Locke John Locke: Todestag des liberalen Rebellen jährt sich zum 300. Mal

Von Rudolf Grimm 27.10.2004, 15:01

Hamburg/dpa. - Es hat in der europäischen Kulturgeschichte nicht viele Philosophen gegeben, deren Denken im gesellschaftlichen und politischen Bewusstsein deutliche Spuren hinterlassen hat. Einer von ihnen ist der Engländer John Locke, dessen Todestag sich an diesem Donnerstag zum 300. Mal jährt.

Auf den Philosophen, politischen Theoretiker und Staatsmann geht der Grundgedanke der modernen Menschenrechte zurück. Er gilt als einer der Väter der liberalen Staatsauffassung und hat auch bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung sozialer Ordnungen gehabt.

Unter seinen besonders im 20. Jahrhundert herausgestellten Thesen ist die vom Recht auf Rebellion. Hier unterscheidet sich Locke (1632- 1704) von dem in mancher Hinsicht geistesverwandten größten deutschen Philosophen, Immanuel Kant, dessen 200. Todestags am Anfang dieses Jahres gedacht wurde. Locke äußert sich zu diesem Thema in seinem politisch-philosophischen Hauptwerk «Two Treatises of Government» (Zwei Traktate über die Regierung). Mit seinen Thesen wurde er zu einem Wegbereiter der «Glorious Revolution», der englischen bürgerlichen Revolution im 17. Jahrhundert.

Nach seiner Staatsauffassung ist es das souveräne Volk, das eine Regierung einsetzt. Dabei verliert es seine Souveränitat nicht. Jede gesetzliche Regelung muss auf seiner Einwilligung basieren. In Ausnahmefällen hat das Volk ein Recht zum Aufstand - dann nämlich, wenn die Regierung ihre Aufgaben vernachlässigt und nicht nach dem Willen des Volkes ausführt. Dieses Widerstandsrecht gilt allerdings nicht für rein individuelle Einwände.

Für Kant gab es keine Umstände, unter denen es ein Recht auf Revolution gibt - weder ein juristisches noch ein moralisches. Ebenso billigte er Bürgern kein Recht zu, den Gehorsam zu verweigern, selbst dann nicht, wenn sie ein Gesetz für ungerecht halten. Öffentliche Kritik ließ er zu. Aber eine rechtliche Befugnis zum Widerstand würde nach Kants Rechtslehre jede gesetzliche Verfassung «zernichten». Denn es würde bedeuten, dass sie nicht die oberste Instanz ist. Kant sah in einem Widerstandsrecht eine Rückkehr in den Naturzustand, die dem vernunftgebundenen Zustand öffentlichen Rechts zuwiderlaufen würde.

Überzeitlich bedeutend sind auch Lockes Darlegungen zum Recht über die eigene Person, also die Zusammengehörigkeit von Leben und Freiheit. Es schließt das Recht auf die Erzeugnisse der eigenen Arbeit ein, also auf Besitz. Es ist nach Locke Aufgabe des Staates, Freiheit, Leben und Besitz zu schützen. Lockes Gewichtung von individueller Freiheit und kollektiver Gleichheit wirkt bis heute im Demokratiebegriff parlamentarisch regierter Länder nach.

Kant hat sich mit Locke vor allem in der Frage des menschlichen Erkenntnisvermögens auseinander gesetzt. Dem galt sein Hauptinteresse. Der Engländer verwarf in seinem «Essay Concerning Human Understanding» (Versuch über den menschlichen Verstand) die Lehre des Franzosen René Descartes (1596-1650) von den angeborenen Ideen und Grundsätzen. Er sah im Geist ein unbeschriebenes Blatt, ein «white paper». Er führte alle Erkenntnis letztlich auf innere und äußere Erfahrung zurück.

Kant versuchte dann zu zeigen, dass die Erfahrungserkenntnis ohne erfahrungsfreie Quellen nicht möglich ist. Er ging in seinem Werk «Kritik der reinen Vernunft» sowohl über den Rationalismus Descartes' wie auch die Lehre der reinen Erfahrungserkenntnis hinaus und begründete eine neue Stellung des Subjekts zur Objektivität.

Lockes Leben war vielseitiger und bewegter als das Kants. Der in Wrington bei Bristol geborene Locke übernahm auch administrative und politische Funktionen. Sie ergaben sich vor allem aus seinen engen Beziehungen zu dem Politiker Anthony Ashley Cooper, dem späteren Earl of Shaftesbury, der sein Gönner war. Locke war auch Arzt. Er lebte vier Jahre in Frankreich und sechs in den Niederlanden. Schon als Mittdreißiger war er Sekretär einer diplomatischen Mission beim Kurfürsten von Brandenburg in Kleve. 1670 zog er sich wegen seiner schwachen Gesundheit vom öffentlichen Leben ganz zurück und lebte bis zu seinem Tode im Alter von 72 Jahren bei einer befreundeten Familie in Oates in der Grafschaft Essex.