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Johann Joachim Kaendler Johann Joachim Kaendler: Urvater der Porzellangestaltung in Europa hat Jubiläum

22.05.2006, 19:08
In der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen GmbH komplettiert Bossiererin Ute Pflugbeil den Harlekin mit Deckelkanne, aufgenommen am 18.05.2006. Die spätbarocke Figur von Johann Joachim Kaendler (1706-1775), dem "Urvater der europäischen Porzellangestaltung", wird in einer limitierten Auflage weltweit vertrieben. Kaendlers Geburtstag jährt sich 2006 zum 300. Mal. Das Jubiläum wird mit einer speziellen Edition und Festtagen vom 25. bis 27. Mai 2006 begangen. (Foto: dpa)
In der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen GmbH komplettiert Bossiererin Ute Pflugbeil den Harlekin mit Deckelkanne, aufgenommen am 18.05.2006. Die spätbarocke Figur von Johann Joachim Kaendler (1706-1775), dem "Urvater der europäischen Porzellangestaltung", wird in einer limitierten Auflage weltweit vertrieben. Kaendlers Geburtstag jährt sich 2006 zum 300. Mal. Das Jubiläum wird mit einer speziellen Edition und Festtagen vom 25. bis 27. Mai 2006 begangen. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Meißen/dpa. - Die Leidenschaft des starken August für Zerbrechlichesführte zur Erfindung des europäischen Hartporzellans und zur Gründungder Meissener Porzellan-Manufaktur 1710. Kaendler stieß 1731 hinzuund erwies sich als richtiger Mann zur richtigen Zeit. Vom 25. bis 27. Mai ehrt die Manufaktur ihn zum 300. Geburtstag mit Festtagen.

«Kaendler hat die Formensprache des Barock auf Porzellanübertragen und ein riesiges Lebenswerk hinterlassen. Das macht ihnzum Übervater für die Porzellanherstellung in Europa», sagt derMeissener Chefmodelleur Jörg Danielczyk über seinen großen Vorgänger.«Mit der Kleinplastik erschloss er dem Porzellan neue Dimensionen»,betont Meissen-Geschäftsführer Hannes Walter. Kaendler avanciertenicht nur zum genialen Formgestalter, sondern setzte auch alsTechnologe und Ausbilder Akzente.

Wer seine Werke betrachtet, spürt Leichtigkeit im Umgang mit einemanspruchsvollen Material. Im Unterschied zu den eher statischenDarstellungen auf den ostasiatischen Porzellanen wirken die Figurendes sächsischen Meisters lebendig und künstlerisch perfekt. «Erwusste, was er dem Material zutrauen konnte», sagt Danielczyk. Zudemoffenbart Kaendler einen Hang zur Perfektion. In den Arbeitsbücherngibt es viele Eintragungen zu Korrekturen, sagt Archivar Peter Braun.

Angeblich soll Kaendler August dem Starken beim Bau seinerSchatzkammer Grünes Gewölbe aufgefallen sein. Im Alter von nur 24Jahren wurde er in Dresden Hofbildhauer. Beim ersten Auftrag für dieMeissener Manufaktur ging es um große Tierplastiken, mit denen Augustsein geplantes Porzellanschloss dekorieren wollte. Das Herstellen vonFiguren wie dem «Radschlagenden Pfau» dauert selbst heute noch Monateund gilt als heikles Unterfangen. Risse und Deformationen können dasedle Porzellan wertlos machen.

Das prachtvollste Werk aus den Händen Kaendlers ist das legendäre«Schwanenservice» für den sächsischen Premierminister Heinrich Grafvon Brühl (1700-1763). Es umfasste rund 2200 Einzelstücke. Im ZweitenWeltkrieg wurden Teile zerstört und die übrigen über die ganze Weltverteilt. Die Porzellansammlungen Dresden besitzen noch 28 Stück.

Das «Schwanenservice» ist wie ein Bilderbuch voller Geschichten,die Experten sprechen von der «Vollendung aller plastischenAusdrucksmöglichkeiten in Porzellan». Fische dienen als Henkel fürKännchen, Schnecken als Deckelknauf. Putten streicheln Schwanenhälseund Nymphen räkeln sich lustvoll. Auf den Tellerböden schwimmen zweiSchwäne auf den Wellen eines schilfgesäumten Sees. Die griechischeMythologie ist figurenreich vertreten.

Aber auch der moderne Manager kann respektvoll auf Kaendlerschauen. Er löste technische Probleme, entwickelte eine effektiveReproduktion der Porzellane - aus einer Kaendler-Form kann noch heutegefertigt werden - und sorgte für Qualitätsmanagement. Nach Ansichtvon Archivar Braun hat Kaendler die «Urform des Designerteams»geschaffen. Die Formenfülle jener Zeit war nur möglich, weil andereMitstreiter Kaendlers Arbeit auf hohem Niveau unterstützten.

Nur in einem Punkt gibt der Meister seinen heutigen SchülernRätsel auf. Dass er sich ernsthaft an ein überlebensgroßesporzellanes Reiterstandbild von König August III. wagte, verblüfftdie Fachleute. «Er hätte eigentlich wissen müssen, dass eine Plastikaus Porzellan in dieser Dimension nicht machbar ist», sagtDanielczyk. Geschäftsführer Walter hat noch einen anderenCharakterzug bei Kaendler ausgemacht: «Er hat sich mit Porzellanalles zugetraut. Das Wort Nein gab es in diesem Punkt für ihn nicht.»