1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Joe Henry und sein bitteres «Civillians»

Joe Henry und sein bitteres «Civillians»

25.09.2007, 15:22

Wien/dpa. - Mit «Civillians» liegt bereits das zehnte Album des US-Songwriters Joe Henry vor. Im Laufe seiner Karriere wurde er mit Tom Waits verglichen. Mit ihm teilt er die Fähigkeit, nicht nur Songs zu schreiben, sondern in diesen auch in andere Charaktere zu schlüpfen.

Seit er mit Waits das Label ANTI gemein hat, scheint er einen neuen Höhepunkt seines mehr als zwei Jahrzehnte währenden Schaffens erreicht zu haben.

Henry zählt eigentlich nicht zu den Singer-Songwritern im strengen Sinne, denn Jazz und Soul zählen neben Folk und Country ebenso zu seinen Einflüssen - im Grunde gehört er, wie eben Waits, zu den großen musikalischen Geschichtenerzählern der Gegenwart.

Ebenso hat er sich als Produzent einen Ruf erworben und - ein eher erstaunlicher Aspekt seiner Karriere - mit Madonna zusammengearbeitet. Das wiederum findet seine Ursache darin, dass er deren Schwager ist, denn Henrys Frau ist Madonnas Schwester Melanie Ciccone.

Madonna nannte ihn einen lyrischen Giganten und machte aus seinem Song «Stop» ihr Lied «Don't Tell Me», der auf dem Pop-Country-Album «Music» zu finden war. Joe Henrys Geschichte besitzt noch einen weiteres bizarres Detail. Als er in der Junior High School in Ohio einst das Trompetenspiel lernte, tat er das mit seinem Schulfreund Jeffrey Dahmer, der später unter dem Namen «The Milwaukee Monster» als Serienmörder und Kannibale in die Kriminalgeschichte eingehen sollte.

Joe Henrys eigene Lebensgeschichte ist glücklicherweise eine musikalische und war in den letzten Jahren reich an Höhepunkten. So nahm er im Vorjahr gemeinsam mit Loudon Wainwright III die Filmmusik für den neuen Judd-Apatow-Film «Knocked Up» auf, ebenso war er für Todd Haynes' kontroverse Dylan-Filmbio tätig, bevor er sich an die Arbeit von «Civillians» machte. Seine vielen Arbeiten für andere Projekte und Künstler (u.a. für Elvis Costello, Aimee Mann, Ani DiFranco) zeigt den Status, den Henry in Musikerkreisen hat.

«Ich denke nicht, dass ich je ein Album gemacht habe, bei dem ich weniger Rücksicht auf das nahm, was andere darüber denken könnten», meint Henry zu den zwölf neuen Songs. Eine Coverversion von Loudon Wainwrights «You Can't Fail Me Now» unterstreicht dabei noch einmal Henrys Wertschätzung für den Künstler, der zudem auch als zweite Stimme zu hören ist. Auf zwei Songs sorgt eine weitere Legende für die Piano-Klänge, nämlich Van Dyke Parks, der Meister der Analog-Aufnahme.

Dem Albumtitel entsprechend setzen sich die sparsam arrangierten Songs vor allem mit dem Dasein als US-Bürger in Zeiten der Post-9-11-Ära auseinander. Zwar nennt Henry «Zeit und Gott» als Hauptmotive, wobei er für seine Arbeit die Bibel und Bob Dylan als Referenzset nennt, doch seine Texte sind vor allem sehr kritische Beobachtungen der amerikanischen Gegenwart geworden. Seine Texte wirken dabei oft wie ein Abgesang auf den amerikanischen Mythos, besonders «Our Song» sagt «God's Country» auf treffende Weise «Good Bye». Das düstere «Civillians» unterstreicht jedenfalls noch einmal mit Nachdruck Joe Henrys Status als einen der besten unbekannten Songwriter unserer Zeit.

www.joehenrylovesyoumadly.com

www.anti.com