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Jan Philipp Reemtsma Jan Philipp Reemtsma: Mit Wieland, Schmidt und Beneke

Von christian eger 25.11.2012, 19:13
Der Soziologe Jan Philipp Reemtsma. (ARCHIVFOTO: DPA)
Der Soziologe Jan Philipp Reemtsma. (ARCHIVFOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Halle (Saale)/MZ. - Ein Gutshaus, ein Landschaftsgarten, ein Rokoko-Bassin: Das ist von 1797 bis 1803 der Wohnsitz des Erfolgsschriftstellers Christoph Martin Wieland in Oßmannstedt, zehn Kilometer östlich von Weimar gelegen. Ein Ort, von dem der Schriftsteller Arno Schmidt sagte, es sei "eines unserer Nationalheiligtümer, nach dem jeder einmal im Leben wallfahrten sollte". Man muss das nicht so staatstragend mitteilen, aber hinfahren sollte man einmal.

Denn das am Ilmradwanderweg gelegene Wielandgut gehört zu den reizvollsten mitteldeutschen Dichterorten. Dass das seit 2005 wieder so ist, bleibt Jan Philipp Reemtsma zu danken, dem Publizisten, Literaturwissenschaftler und Vorstand des von ihm gegründeten Hamburger Instituts für Sozialarforschung, der mit über 700 000 Euro die Rettung des Wielandhauses anschob. Ein Bau, der heute vieles bietet: ein Museum, eine Bildungsstätte, die Arbeitsstelle Wieland-Edition - und Übernachtungsmöglichkeiten.

Die Begeisterung für Wieland, den Neuschöpfer des deutschen Romans im 18. Jahrhunderts, hatte Reemtsma von Arno Schmidt übernommen, dem 1914 geborenen und 1979 gestorbenen Avantgardisten der Nachkriegs-Prosa. Dem zurückgezogen und herzkrank bei Celle lebenden Autor hatte der 25-Jährige Reemtsma 1977 eine Summe von 350 000 D-Mark geschenkt, was der Dotierung des Literaturnobelpreises entsprach. 1981 gründete er die Arno-Schmidt-Stifung zur Herausgabe des Gesamtwerkes.

Dass dieses Engagement möglich ist, hat der habilitierte Literaturwissenschaftler seiner Herkunft zu danken: Heute vor 60 Jahren wurde der Kultur-Mäzen als Sohn des Hamburger Zigaretten-Fabrikanten Philipp Fürchtegott Reemtsma (1893-1959) geboren. Jan Philipp, der sieben Jahre alt war, als der Vater starb, stammt aus dessen zweiter Ehe; von den drei Söhnen aus erster Ehe fielen zwei im Zweiten Weltkrieg, einer starb an Kinderlähmung. Mit Vollendung seines 26. Lebensjahres konnte Reemtsma frei über sein Erbe verfügen. 1980 verkauften er und seine Mutter den Mehrheitsanteil am Konzern für netto 300 Millionen D-Mark an die Tchibo-Familie Herz.

Geld, mit dem Reemtsma etwas "Vernünftiges" schaffen wollte. Das gelang, weil er zu jenen Erben gehört, die nicht nur etwas wollen, sondern auch können. Sein Sozialforschungs-Institut ist etabliert, die - 2003 auch in Halle gezeigte - Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht" hat Gesellschaftsgeschichte geschrieben, allen sachlichen und menschlichen Fehlern zum Trotz. Dass der verheiratete Vater eines Sohnes 1996 eine 33-tägige Geiselhaft überlebte, lenkte ihn noch entschiedener hin zur Erforschung von Gewalt und Moderne.

Bei alledem bleibt dieser norddeutsche Aufklärer dem mitteldeutschen Raum verbunden. Dieser Tage wurde die erste Abteilung der von Reemtsma finanzierten Edition der Tagebücher des Hamburger Advokaten Ferdinand Beneke (1774-1848) ausgeliefert, der sein Journal von 1792 bis zu seinem Tod führte: auch in Halle, wo er 1792 und 1793 Jura studierte.