James Blunt in Leipzig James Blunt in Leipzig: Musiker verströmt im Lichtermeer eine zackige Energie

Leipzig - Was für ein poppiger Budenzauber. Kurz nachdem der Singer-Songwriter Jamie Lawson alleine im Scheinwerferlicht das Gemüt mit seiner Akustikgitarre auf netten Schmonzetten-Modus gedimmt hat, springt am Donnerstagabend der dynamisch-sportliche James Blunt, Jahrgang 1974, auf die Bühne der ausverkauften Leipziger Arena. Der Brite scheint ein Mann für die eruptiven Momente zu sein.
Mit „Heart to Heart“ geht es los. Auf der Videoleinwand stürzen sich junge Männer in die Fluten, man sieht den Kick des Bungee-Springens. Der plötzliche Euphorieschub funktioniert, das Publikum reißt es sofort von den Sitzen. Blunt, extrem gut rasiert und porenrein, bezeugt in T-Shirt und Jeans sogleich seine weiteren Absichten: Der Klavierhocker wird mit Schwung zur Seite gekickt, Blunt spielt im Stehen, die Halsadern pochen sichtbar.
James Blunt in Leipzig: Pop-Hymnen verwandeln die Arena in Tempel der Lust
Links und rechts der Bühne protzt sein Konterfei auf der Videoleinwand, teils werden die Aufnahmen verzerrt und verpixelt, manchmal sogar so stark, dass es scheint, als würde der Sänger brennen. Eine lebende Fackel, gekommen, um die jugendliche Hitze, um das Bewusstsein scheinbar unendlicher Kraft anzufachen. Und diese Feier des Hier und Jetzt, diese ausgelöste kollektive Wucht, die unsere Vergänglichkeit zur piefigen Fuß- und Randnote des Daseins degradiert, funktioniert bestens.
All die „Oh’s“ und „Ah’s“, all die raumgreifenden rot-weißen Laserstrahlen, all diese Pop-Hymnen über Liebe, Leid und Lebensdurst verwandeln die Arena in einen Tempel der Lust. „The Afterlove“ heißt das neue Album, das Blunt vorstellen will. In Wirklichkeit gibt es ein Best-Of-Programm, immer wieder funktioniert der Publikumschor, der in den besten Sequenzen gehaucht und laut geflüstert Gänsehaut erregen kann. Blunt, der Schlingel und Witzbold: „Ich kann drei Worte auf deusch: Danke. Dankeschön. Vielen Dank!“
James Blunts Kopfstimme ist dann am besten, wenn sie mit ordentlich Wumms aufgeladen wird
Die Videoleinwand zeigt zu „Heartbeat“ einen rasenden Blick auf das Großstadtgetümmel, mit dem Zug geht es quer durch den Speckgürtel in die ländlichen Gebiete. Oh, wie schön ist Panama. Wo das liegt, ist egal, es geht hier um das poppig-elektronische Glorifizieren des jeweils Augenscheinlichen. Nichts für Kopfmenschen.
„Ooh, ooh, ooh“, Blunts markante Kopfstimme, näselnd, fieselnd, ist immer dann am besten, wenn sie, wie in den dargebotenen Live-Versionen von „Make me better“ oder „The only One“, mit ordentlich Wumms aufgeladen wird und die ruhigen Passagen der Songs aufsprengt. Auf der Videoleinwand in der Mitte über der Bühne geht es fröhlich dem Morgenrot entgegen, es gibt Sonnenaufgänge und Surfbrettpartys am Strand, die dem einsamen U-Bahnfahrten schön und jung entgegengestellt werden. „Lose my Number“ ist dann auch so eine luftige Sommer-Nummer, die in keinen Charts fehlen darf.
James Blunt im Song „Wisemen“ als schöner Gruß an einen gewissen Donald Trump
Doch wie verkommen muss die Welt sein, dass sogar James Blunt im Song „Wisemen“ zum politischen Stimme-Erheben auffordert und Kriegsbilder über die Leinwand jagen lässt. Einen schönen Gruß an einen gewissen Donald Trump. Es geht über das angenehm klippernde „Postcards“ bis hin zum ewigen Hit „You're Beautiful“: Das ist dieser schlendernde La-La-La-La-Song, der der seelenentwurzelnden Plötzlichkeit, die in wenigen Sekunden einen ganzen Lebensentwurf in Frage stellen kann, ein Denkmal gebaut hat. Dort heißt es frei übersetzt: „Du bist schön, das ist wahr./ Ich sah dein Gesicht in der Menschenmenge./ Und ich wusste nicht,/ Was ich tun sollte,/ Weil ich dich niemals wiedersehen werde.“ Ja, das Leben ist eine Aneinanderreihung verpasster Chancen. Blunt hat den Soundtrack dazu aufgelegt.
Der Musiker verströmt eine zackige Energie. Reggae-Elemente und elektronische Einflüsse, Blunt gibt alles, was so ein Abend braucht. Sonne, Sand und Selbstbestätigung. Beim Song „1973“ stellt sich der immer wieder scherzende Tausendsassa auf das Klavier und knipst mit Smartphone zurück ins blinkende Lichtermeer. Ich fotografiere, also bin ich. Ich filme, also feiere mich. Keine Frage, das ist poppiger Budenzauber vom Feinsten. Das Publikum dankt begeistert. (mz)