Jahresausstellung Jahresausstellung: Die Sprengung der Leipziger Schule
LEIPZIG/MZ. - Wochenlang tobte im Sommer ein Medienkrieg um den Fortbestand der "Leipziger Schule", der mit dieser Ernennung angeblich der Todesstoß versetzt wurde. Offene Briefe mit Unterschriftslisten geisterten durch die Medien, die Kontrahenten und Sympathisanten attackierten sich in Interviews.
Politische Agitation
Wer aber erwartet hatte, es würde brodeln, der Rundgang genutzt, um einer Hochschule am Scheideweg die Richtung zu weisen, der wartete vergebens. Die einzig revolutionäre Zusammenrottung war der erstmals gegründete Studentenchor der Hochschule, und der sang "Lollipop, Lollipop" von der Empore. Politische Agitation hängt in Gestalt von Damenschuhen in der Halle, aber die sind ein später Vietnam-Protest von Aktionskünstler Thanh Long, der mit dem Verkauf unverkaufter Massenware aus seinem Land den vergessenen "Agent Orange"-Opfern helfen will.
Die Eröffnungsrede von Rektor Joachim Brohm ging schon mangels Stimmgewalt unter, aber "Rauch" oder "Schule", das hätte man doch herausgehört, wenn davon die Rede gewesen wäre. Und die Furcht einflößenden Security-Männer, die die Gänge patrouillieren, hat er erklärtermaßen deshalb engagiert, weil beim Jahresfest die Alkoholexzesse überhand nehmen.
Blutleere Sinnsuche
Selbst die Tombola von potentiell renditestarken Kunst-Blättern von Professoren und Studenten ist in ihrer dritten oder vierten Wiederholung kein Statement über die Markt-Bedingtheit der Kunst mehr, sondern reine Gaudi. Am meisten aber ist es das Angebot aus den Malereiklassen selbst, das zwar einen Niedergang belegt, aber nicht, dass er trennscharf einsetzte.
Die Gefahr, ins Epigonale abzugleiten, die war von Anfang an gerade bei den Rauch-Schülern verbreitet und sie ist es immer noch. Ottersbach allein, der erst seit kurzem im Amt ist, kann den vorherrschenden Eindruck von blutleerer Sinnsuche, kunsthistorischen Anleihen und bemühter Handwerklichkeit nicht zu verantworten haben. Streifen von rot und gold flirrender Alufolie auf der Leinwand machen die Malerei noch nicht interessant, und wenn schon handwerklich gediegen, lässt selbst trübes Flurlicht an Cezanne orientierte malerische Dichte bei einem Talent wie Stefanie Heinze erkennen.
Vielleicht ist es gut, die mit der Schule verbundene Malerei von ihrem Hype zu befreien und sich wieder bewusst zu werden, dass Meisterwerke nicht zu züchten sind. Wie enthüllend, dass die Klasse Schröter sich in Selbstporträts übt und unterm Dach "das Beste zum Schluss" verspricht, aber aus Furcht vor der Last der Tradition so gut wie nirgends Gesicht zeigt.
Es ist Olaf Bastigkeit aus der Klasse von Astrid Klein, der für den gegebenen Moment das treffende Sinnbild findet: Wie Gemälde im Moment der Sprengung sehen seine Plastiken aus Bruchstücken bemalter Spanplatten aus. Und so uninspiriert, wie die Malereischüler den Betrachter entlassen, so viel Muße hat er, nach Nestern der Kreativität zu suchen, für die die Malerei-Debatte keine Rolle spielt.
Stille Post
Etwa die ewig aktuelle Frage vom Stand des Künstlers in der Gesellschaft, die Designstudenten mit Podien und Beiträgen im Campus-Studio des freien Senders "Radio Blau" angehen wollen. Oder wie individuelles Talent in der formellen Lehre der Hochschule seinen Weg gehen kann. Den nachhaltig stärksten Auftritt möchte man in diesem Sinn der "Klasse für Intermedia" von Alba d'Urbano zubilligen. Wie beim Spiel "Stille Post" hat sie ein Wort von einem zum anderen ihrer Schüler herumgehen lassen, die daraus ihre je eigene Arbeit machten. Die ist auf den Tag datiert, und lässt so das Mutieren eines Gedankens Schritt für Schritt verfolgen. Es wird nicht gesagt, wie er hieß, aber es sei verraten, weil er für das Künstlerische überhaupt so wesentlich ist und über allem Streben danach stehen könnte: "Berufung". Dass die Klasse auch das nahe Gerichtsgebäude bespielt, sei noch erwähnt. Der Diskurs um die Kunst findet nicht mehr nur innerhalb der Mauern der Hochschule statt.
Der HGB-Rundgang ist noch bis Sonntag von 11-22 Uhr geöffnet.