Italien Italien: Regisseur Michelangelo Antonioni ist gestorben

Rom/dpa. - Antonioni hat in seinerlangen Karriere zahlreiche Genres ausprobiert und drehte über einhalbes Jahrhundert lang neben Dokumentar- und Kurzfilmen auchWelterfolge wie «Blow Up» und «Zabriskie Point». Cinéasten undPolitiker würdigten Antonionis großen Beitrag für den europäischenFilm. «Sein Tod beraubt Europa einer seine cinematographischenGrößen», sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.
Besonders in seinen Frühwerken wurde Antonioni häufig demitalienischen Neorealismus zugerechnet und beschäftigte sich mit derNachkriegsgesellschaft. Themen wie menschliche Isolation und dieäußere Entfremdung von der Umwelt standen dabei im Mittelpunkt.Später drehte der in Ferrara geborene Antonioni dieses Motiv jedochum und untersuchte in seinen Werken stattdessen die innereZerrissenheit und Entfremdung seiner Protagonisten. Besondersdeutlich wurde dies in seiner Anfang der 60er Jahre entstandenenTrilogie «Die mit der Liebe spielen», «Die Nacht» und «Liebe 1962».
Italiens Kulturminister Francesco Rutelli nannte Antonioni amDienstag einen «akuten Beobachter der Übel des 20. Jahrhunderts inall seinen Ausdrucksformen». Mit dem Tod des Regisseurs «schließtsich ein historischer Zyklus des italienischen Kinos», betonteRutelli. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy nannteAntonioni «den letzten Giganten des italienischen Kinos».
Antonioni, am 29. September 1912 in Ferrara geboren, ging nachAbschluss seines Studiums zum Diplomvolkswirt im Jahr 1939 nach Rom.Hier wollte er fortan sein Leben den Filmen widmen.
Weltweite Berühmtheit erlangte er 1966 mit dem Film «Blow Up», derin die Kinogeschichte einging. Der Streifen mit David Hemmings undVanessa Redgrave gilt bis heute als einer der wichtigsten Filme der60er Jahre und wurde beim Filmfestival in Cannes 1967 mit derGoldenen Palme ausgezeichnet; das bayerische Fernsehen zeigt amMittwoch (1. August) um 23.15 «Blow Up». Vordergründig handelt essich dabei um einen Krimi, der im «Swinging London» spielt. Jedochbleibt in dem Werk wie so oft bei Antonioni vieles in der Schwebe,der Ausgang ist vage. Ein Kritiker meinte einmal, alles werde beiAntonionis Filmen «doppelbödig und unheimlich».
Ein weiteres großes Thema des Maestro waren Vereinsamung und dieUnfähigkeit zu echten Gefühlen - so auch in dem Werk «ZabriskiePoint» (1970). Dabei handelt es sich um eine Liebesgeschichte undgleichzeitig um eine Hommage an die 68er-Bewegung. Ein Student undeine Angestellte brechen mitten in der Zeit der schweren Revoltenkurz aus ihrem Alltagsleben aus und treffen sich in der Wüste. Jedochmisslingt diese persönliche Flucht ebenso wie die politischeBewegung.
Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano betonte, Antonionihabe «durch eine völlig innovative Sprache und eine außergewöhnlicheInterpretationsfähigkeit eine äußerst wirksame Kritik an derGleichgültigkeit geübt» und auf diese Weise «die menschlicheSensibilität und das Drama der Einsamkeit offenbart». DerBürgermeister von Ferrara, Gaetano Sateriale, kündigte an, dieGeburtsstadt Antonionis werde eine Straße oder einen Platz nach demRegisseur benennen.
Der deutsche Filmkritiker Peter W. Jansen bezeichnete imDeutschlandradio Kultur, Antonioni als einen unverwechselbareuropäischen Regisseur: «Er hat eine europäische Filmsprache,europäische Bildersprache, so wie Ingmar Bergmann. Und dass diebeiden so kurz hintereinander gestorben sind, das ist ein furchtbaresEreignis.» Barroso hob die wichtige Rolle des Italieners «bei derEntwicklung des Kinos in Europa und in der gesamten Welt» hervor.
Seit einem Schlaganfall vor über 20 Jahren war Antonioni an einenRollstuhl gefesselt, blieb seiner Leidenschaft für das Kino aber bisins hohe Alter treu. So führte er 1995 nochmals Regie in demEpisodenfilm «Jenseits der Wolken», der sich wiederum mit derSehnsucht nach Liebe befasst. Sein letzter Film hieß «Eros», den erim Jahr 2004 drehte. Am Montag soll er im Beisein seiner EhefrauEnrica Fico friedlich gestorben sein, wie Medien in Italienberichteten. Antonioni wird am am Donnerstag in Ferrara beigesetzt.