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Interview mit Rainer Robra Interview mit Rainer Robra: "Ich will Sachsen-Anhalt noch stärker zum Leuchten bringen"

Von Andreas Montag 05.07.2016, 10:35
Staatskanzlei-Chef Rainer Robra
Staatskanzlei-Chef Rainer Robra dpa

Magdeburg - In der neuen Landesregierung Sachsen-Anhalts hat Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei und Minister für Europa- und Medienangelegenheiten, nun auch die Verantwortung für das Kulturressort übernommen. Mit dem 64-jährigen Juristen und CDU-Politiker Robra sprach unser Redakteur Andreas Montag.

Herr Robra, Sie sind Chef der Staatskanzlei, Sie sind für Europaangelegenheiten und Medienpolitik zuständig – nun auch für die Kultur. Wie schafft man das?

Robra: Indem man sich selbst gut organisiert. Zudem ist man als Chef der Staatskanzlei so etwas ähnliches wie der Libero im Fußball: Man beobachtet das Geschehen aus der Distanz, koordiniert und achtet darauf, dass das Spiel nach vorn getrieben wird.

Wir haben eine Landesvertretung in Berlin, die sehr gut und selbstständig arbeitet, im internationalen Bereich habe ich ein paar Aufgaben abgegeben, zum Beispiel an den Innenminister. So denke ich, genügend Zeit zu haben, mich um die Kulturpolitik zu kümmern.

In der vergangenen Legislaturperiode kam es durch die Sparmaßnahmen für die Theater zu Verstimmungen und Protesten. Und es resultierte ein Vertrauensverlust für die Politik daraus. War es das wert?

Robra: Ob das seinerzeit optimal gelaufen ist, darüber kann man trefflich streiten – auch was die Kommunikation der Dinge betrifft. Ich bin jetzt dabei, das Vertrauen zurückzugewinnen und führe intensive Gespräche.

Es war allerdings tatsächlich so, dass wir im Bereich der institutionellen Förderung immer mehr Mittel einsetzten, was zu Lasten der Projektarbeit ging. Das Verhältnis ist jetzt durch den für die Theater schmerzlichen Kürzungsprozess ausgewogener. Und im aktuellen Haushalt haben wir einen Mittelzuwachs für die Kultur verabredet – dies einzufordern, wird nun meine Aufgabe sein. Außerdem sind nach den Aufwendungen für das Reformationsjubiläum nun auch die für den 100. Bauhaus-Geburtstag aus dem laufenden Kulturhaushalt herausgenommen worden.

Das heißt, diese Kosten laufen extra?

Robra: Das neue Museum haben wir ja ohnehin schon separat finanziert. Die weiteren anfallenden Kosten werden wir im Doppelhaushalt 2017/18 ebenfalls gesondert aufnehmen.

Wie ist Ihr Eindruck nach den bisherigen Gesprächen mit den Kulturakteuren – verheilen die Wunden? Mit André Bücker, dem vormaligen Dessauer Intendanten, hat es immerhin ein prominentes Opfer im Kampf gegen die Mittelkürzungen gegeben.

Robra: Ich habe inzwischen die erste Intendantenkonferenz durchgeführt und den Ablauf insofern verändert, dass aus Halle nicht nur der Geschäftsführer der Bühnen GmbH teilnahm, sondern auch die Intendanten eingeladen wurden. Auch Florian Lutz, der neue hallesche Opernchef, war schon dabei.

Ich hatte in dieser Runde den Eindruck, dass es das Potenzial und die Bereitschaft bei den Häusern gibt, mehr Gemeinsames zu versuchen. Unter dem Strich heißt das: Ich hoffe, dass die Kultur in diesem Land bald wieder die Stellung einnimmt, die ihr zukommt, und das entsprechende Ansehen genießt.

Wie politisch dürfen Kunst und Kultur sein in Sachsen-Anhalt?

Wenn man nach Berlin sieht, wo es gerade Aufsehen gab um die Aktion „Flüchtlinge fressen“ vor dem Gorki-Theater: Wie politisch dürfen Kunst und Kultur sein in Sachsen-Anhalt?

Robra: Wenn man unterstellt, dass die Grenze zu schwersten Straftaten, die es bedeutet hätte, nicht einzugreifen, wenn jemand zulässt oder fördert, dass ein Mensch sich von Tigern fressen lässt, erkannt und respektiert wird – dann ist die Kunst frei. Auch in Sachsen-Anhalt. Ich habe überhaupt keine Veranlassung, mich in kulturelle Prozesse einzumischen.

Mit dem auf das Nationale gerichtetem Kulturverständnis der AfD ist ein neuer, scharfer Ton in die Kulturdebatten gekommen. Sehen Sie eine Tendenz zum vorauseilenden Gehorsam?

Robra: Nein. Der Streit um das Regietheater ist ja uralt. Manche Bühnen sind sehr innovativ gewesen, andere eher konservativ. Es liegt bei den Intendanten, ihren Häusern Profil zu geben.

Sie bekommen allerdings befristete Verträge dafür, um die Theater nicht als ihr Eigentum anzusehen. Aber innerhalb dieser Fristen können sie schalten und walten, wie sie wollen.

Täte nicht aber eine Debatte über das „Reinheitsgebot“ der AfD gut – brauchten wir nicht überhaupt mehr Diskurs über das kulturelle Selbstverständnis im Land?

Robra: Ich finde solche Debatten erfrischend. Sie sollten durchaus emotional ausgetragen werden, wie man es jetzt im Streit um die Zukunft der Berliner Volksbühne sieht. Debatten haben noch nie geschadet.

Gehen Reformationsjubiläum und Bauhaus-Geburtstag zu Lasten des übrigen kulturellen Lebens?

Das Reformationsjubiläum und der Bauhaus-Geburtstag dominieren als kulturpolitische Themen in Sachsen-Anhalt. Geht das nicht zu Lasten des übrigen kulturellen Lebens?

Robra: Das glaube ich nicht. Gerade beim Thema Reformationsjubiläum haben wir sehr genau geprüft, was zu leisten ist – über die zehn Themenjahre der Reformationsdekade hinweg. Und dies in Abstimmung und Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche, die zunächst zögerte, ob sie diese Agenda bewältigen können würde.

Jetzt geht es um praktische Fragen wie die Organisation des Kirchentages 2017 in den Elbauen von Wittenberg, wir haben dazu eine Arbeitsgruppe gegründet.

Beim Bauhaus sind wir noch nicht so weit. Hier hatten wir sehr viel mit dem Museum zu tun, einschließlich des Standortstreits, der uns noch einmal Zeit gekostet hat. Nun entwickeln Frau Perren, die Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau, und der Bauhausverbund weiterführende Pläne – auch, um Dessau seinen angemessenen Platz auf dem Tableau neben Weimar und Berlin zu verschaffen, den beiden anderen Bauhausstandorten. 2019, wenn das Bauhaus gefeiert wird, soll das Potenzial, das die Stadt Dessau gemeinsam mit dem Gartenreich hat, auch ausstrahlen.

Für das Reformationsjubiläum und die Lutherstätten ist dieser Stand schon erreicht?

Robra: Etwas Sorge bereitet uns noch das Mansfelder Land, wo zwar die Lutherstätten in sehr gutem Zustand sind, aber das Umfeld damit noch nicht überall mithalten kann.

Das Mansfelder Land hat eine große Geschichte, ist aber schwer zu „verkaufen“, obendrein gibt es soziale und demografische Probleme.

Robra: Ich habe zum Beispiel bei meinem Besuch bei Ulrich Fischer im Eisleber Theater den Eindruck gewonnen, dass sich hier etwas entwickelt, das die Feierlichkeiten von 2017 als Schwungmasse mitnimmt für die Arbeit der folgenden Jahre.

Um das, was Wittenberg und die dort um die Lutherstätten entstandene Bildungslandschaft betrifft, ist mir nicht bange.

Überhaupt ist Sachsen-Anhalt ja ein Kulturland, in dem man überraschende Entdeckungen machen kann – man muss nur an das Ausstellungsprojekt „Große Pläne!“ denken.

Robra: Ja, und es gibt noch weitere Möglichkeiten für die Akteure im Lande, voneinander zu profitieren – etwa das Kunstmuseum Moritzburg in Halle und das Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg, die im Bemühen um moderne Kunst auch in einer gewissen Rivalität standen. Wenn sie sich miteinander abstimmen, werden beide Standorte davon profitieren. Das klappt auch schon ganz gut.

Dominiert das Museale in der Kultur?

Sachsen-Anhalt hat ein Pfund mit seinem Welterbe-Reichtum. Entsteht dadurch nicht aber eine Schieflage, weil das Museale dominiert in der Kultur?

Robra: Da ist sicher etwas dran. Aber was ich zum Beispiel in den Franckeschen Stiftungen sehe: Dort öffnet man sich ausdrücklich für junge Menschen und deren Projekte. Oder nehmen Sie die freien Theater, die zwar auch Probleme haben, aber eine sehr lebendige Szene bilden.

Ein inzwischen sehr erfolgreiches Künstlerduo wie Elsterglanz aus dem Mansfeldischen hat es allerdings allein, ohne Förderung schaffen müssen…

Robra: Müssen?

Zumindest sind sie mit einem Förderantrag für ein früheres Filmprojekt nicht über das Vorzimmer der Mitteldeutschen Medienförderung hinausgekommen.

Robra: Mag sein. Aber es gibt manchmal auch Leute, die es letztlich nicht wirklich wollen. Sonst schafft man es bei der MDM mindestens bis zum Vergabe-Ausschuss. Manchmal passen die Systeme nicht zueinander.

Nehmen Sie dagegen den Filmemacher und Autor Mario Schneider, auch aus dem Mansfeldischen. Dessen Projekte sind immer gefördert worden.

Weil wir über Förderung sprechen: An der Kulturstiftung des Landes ist immer wieder Kritik laut geworden, zumal aus der Szene heraus: Zu wenig Transparenz, keine Chancengleichheit der Bewerber sind der Direktorin, Manon Bursian, vorgeworfen worden.

Robra: Sicher muss es einen kontinuierlichen Vergabeprozess geben. Es gab auch Diskussionen um die Größe des Hauses am Neuwerk in Halle, die ich persönlich unangemessen fand. Das Haus ist keineswegs zu groß. Es gab auch Diskussionen um die Leiterin. Hier kehre jeder selbst vor seiner Tür. Sie arbeitet sehr engagiert.

Was die Förderung betrifft: Hier sehe ich alle Sparten vertreten. Hervorzuheben ist auch die Internationalität des Auftritts. Man sollte die Arbeit der Stiftung vielleicht stärker ausstellen. Diejenigen, die nicht zum Zuge kommen, beklagen sich – die anderen genießen still und schweigend. Aber nichts von dem, was dort geschieht, muss das Licht der Öffentlichkeit scheuen.

Die großen Museen sind im Blick, die kleineren oftmals gar nicht?

Robra: Doch. Wir müssen zum Beispiel die Digitalisierung der Bestände weiter voran bringen. Hier kommt noch die Beschäftigung mit Künstlernachlässen hinzu. Heimatstuben müssen die Gemeinden freilich selber pflegen, das kann das Land nicht leisten.

Auch um moderne Präsentationsformen sollte es gehen?

Robra: Und um Präsentationsmöglichkeiten überhaupt – zum Beispiel für die naturkundlichen Sammlungen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Aber bevor wir hier zur Tat schreiten, ist eine generelle Bestandsaufnahme der Immobilienbestände der Universität und des Landes nötig und nützlich. Hierzu habe ich auch schon eine Runde angeregt, dabei kommt mir mein „Spinnennetz“ nach allen Seiten hin zugute, wenn es also darum geht, Menschen ressortübergreifend zusammenzubringen.

Sachsen-Anhalt ist ein Land der Bildung und der Kultur – muss man das nicht immer wieder laut sagen?

Robra: Das werde ich auf jeden Fall tun. Ich trachte allerdings nicht danach, einen neuen Slogan zu kreieren, gewissermaßen als Nachfolger der Frühaufsteher-Kampagne. Aber Sachsen-Anhalt noch stärker zum Leuchten zu bringen – das ist schon ein Ziel. (mz)

Dessau, 2014: Proteste gegen angekündigte Kürzungen für das Anhaltische Theater
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Lutz Sebastian