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Interview mit Jan Josef Liefers Interview mit Jan Josef Liefers: Multitalent spielt mit seiner Band Radio Doria in Leipzig

18.09.2014, 08:33
Jan Josef Liefers (3. von links) und seine Musiker haben ein Album mit selbst geschriebenen Liedern vorgelegt.
Jan Josef Liefers (3. von links) und seine Musiker haben ein Album mit selbst geschriebenen Liedern vorgelegt. agentur Lizenz

Leipzig - Die Musik ist sein zweites Standbein und seine große Leidenschaft. Seit rund 15 Jahren singt der vor allem als „Tatort“-Pathologe gefeierte Schauspieler Jan Josef Liefers und steht mit eigener Band auf der Bühne. Unter Jan Josef Liefers & Oblivion veröffentlichte er bereits mehrere Alben und tourte vor allem mit Coversongs und privaten Texten über die Bühnen. Der Name der Gruppe ist nun neu und auch der Name des bekannten Frontmannes ist verschwunden. Als Radio Doria wollen die Musiker Neues wagen. Vergangene Woche ist das Album „Die freie Stimme der Schlaflosigkeit“ erschienen. Zugleich ist Radio Doria auf Herbst- und Wintertour. Am Sonnabend kommen sie in das Haus Auensee Leipzig und im Dezember nach Halle. MZ-Volontär Tilo Krippendorf sprach mit Jan Josef Liefers und Gitarrist Johann Weiß.

Herr Liefers, das neue Album ist in einem ehemaligen Nonnenkloster in Halberstadt entstanden. Warum entscheidet man sich als Musiker für einen solchen Ort?

Liefers: Wir hatten keine Ahnung, was uns dort erwartet. Alles, was wir wollten, war Abgeschiedenheit ohne die üblichen Ablenkungen. Das Gebäude war fast leergeräumt, in einem Raum stand ein Flügel, in einem anderen ein Kirchenharmonium. Wir erfuhren, dass dort John Cages „As Slow As Possible“ aufgeführt wird. Die Aufführung dauert über 600 Jahre. Was für eine abgefahrene Idee! Radio Doria trifft sich ein paar Mal im Jahr, zum Schreiben, zum Proben. Wir bleiben dann eine Zeit zusammen und machen nichts als Musik. Dann sehen wir uns wieder ein Weilchen nicht, weil ich zum Beispiel einen Film drehe.

Wie hat sich die Stimmung des Klosters auf die Musik ausgewirkt? Der Album-Titel „Die freie Stimme der Schlaflosigkeit“ klingt ja etwas schlafwandlerisch oder esoterisch.

Weiß: Es war weniger die Stimmung des Gebäudes als vielmehr das John-Cage-Projekt. Als wir dort für unser Album geschrieben haben, hörten wir immer einen bestimmten Akkord aus der Kirche. Dieser Sound in Kombination mit diesem Ort war sehr inspirierend.

Ihre Band heißt jetzt Radio Doria, nicht mehr Oblivion - also ein musikalischer Neustart? Warum die Umbenennung, und wer ist Doria?

Liefers: Neustart trifft es ganz gut. Nachdem wir seit über zehn Jahren zusammen Musik machen, haben wir es nun auch geschafft, das Debüt-Album fertig zu kriegen. Klingt lustig, finde ich. Tatsächlich stammte das „Oblivion“ aus der Zeit des ersten Albums in englischer Sprache. Dann folgten Jahre mit der Tour „Soundtrack meiner Kindheit“ und immer stand Jan Josef Liefers & Oblivion auf den Plakaten. Das hat mich eh gestört.

Jetzt sind wir endgültig bei uns angekommen, haben ein Album aufgenommen, das vom ersten bis zum letzten Ton von uns selbst stammt. Es ist Popmusik in deutscher Sprache. Durch die Umbenennung verschwindet mein Name, und wir haben uns den neuen Namen als Band verdient! Außerdem war Oblivion für Musik bereits als Marke geschützt, wir hatten keinen Bock auf endlose Rechtstreitigkeiten. Und Doria ist niemand, es ist die Verwürfelung der Buchstaben von Radio, ein Anagramm. Ein gutes Bild für das Kopfradio, das uns manchmal nicht schlafen lässt.

Ob Liefers sich mehr zur Musikbühne oder zur Arbeit vor der Kamera hingezogen fühlt und wie das Publikum bisher auf die neuen Sogs reagiert hat, lesen Sie auf Seite 2.

Mit dem Projekt „Soundtrack meiner Kindheit“ waren Sie viel auf Tour und hatten auch großen Erfolg. Aber es war eine Zeitreise in die Vergangenheit. Der Sound des neuen Albums ist ähnlich, aber sind die Texte jetzt der Zukunft zugewandt?

Liefers: Das ist das Verrückte am Leben, man lebt es vorwärts, aber man versteht es rückwärts. Immer, wenn wir die Gegenwart oder Zukunft meinen, denken wir die eigene Vergangenheit mit. Egal, wie alt wir sind und wie groß diese Zeitspanne schon ist. Wir sind die Summe von allem, was wir erlebt, erfahren und gelernt haben, egal, wie viel das ist. Da kann man schon mal nachdenklich werden.

Bedeutet die Musikbühne für Sie mehr Freiheit als die Arbeit vor der Kamera? Ist sie ein Ausgleich?

Liefers: Mehr Freiheit, na klar. Auf der Bühne spiele ich keine Rolle, es gibt keine fremden Texte, keinen, der mir reinredet. Aber ob ich es Ausgleich nennen würde, weiß ich nicht. Eher eine Erweiterung der Möglichkeiten. Und vor allem ist es ein Riesenspaß. Auf unseren Konzerten wird auch gelacht.

Freuen sich die fünf Bandkollegen eigentlich, dass sie sich im Schatten eines so berühmten Frontmannes ausruhen dürfen?

Weiß: Von Ausruhen kann keine Rede sein. Wir haben eine ziemlich gleichmäßige Arbeitsverteilung in der Band. Jeder ist für bestimmte Bereiche in der Band verantwortlich. Und davon gibt es ziemlich viele, wenn man heutzutage professionell Musik macht. Auf kreativer Ebene sind zudem alle gleich stark integriert.

Sie sind schon ein paar Monate auf Tour. Wie ist da die Reaktion des Publikums auf das neue Album, springt der Funke über?

Weiß: Absolut. Es ist wirklich besonders. Unser Publikum scheint mit sehr offenem Herzen zu unseren Konzerten zu kommen. Die neuen Stücke werden mit viel Begeisterung angenommen. Wir haben den Eindruck, dass wir mit unserer eigenen Musik jetzt einen direkten Draht zu unseren Fans herstellen können. Das ist ein tolles Gefühl!

Sie haben schon das John-Cage-Projekt, bei dem bis zum Jahr 2640 das Stück „As slow as possible“ auf einer Orgel gespielt wird, angesprochen. Würden Sie gerne so lange leben?

Weiß: Nein, ich glaube nicht, dass das gut wäre. Wir sind als Menschen meiner Meinung nach dazu bestimmt, nur einen Ausschnitt zu sehen. John Cages Komposition und das Halberstädter Orgelprojekt erinnern mich persönlich immer genau an diesen Zusammenhang. Selbst wenn man den Augenblick dehnt - und das geht mit nichts besser als mit Musik - geht es doch irgendwann einmal vorbei. Ich vermute, dass das gut ist.

Die MZ verlost zwei CDs „Die freie Stimme der Schlaflosigkeit“. Schreiben Sie bis heute, 20 Uhr, eine E-Mail an [email protected]. Adresse bitte nicht vergessen! Die Gewinner werden unter Ausschluss des Rechtsweges ermittelt & benachrichtigt.

Karten für das Konzert in Leipzig gibt es bei TiM-Ticket unter Telefon 0345/2 02 97 71. Am Freitagabend spielt Radio Doria in der Factory in Magdeburg. (mz)