Interview mit Annett Louisan Interview mit Annett Louisan:
Leipzig/mz-web.de. - Ihr aktuelles Album heißt „Das optimale Leben“. Trotzdem gibt es etliche Episoden darin, die nicht wirklich optimal laufen.
Stimmt. Der Titel ist im Prinzip eine Illusion. Das Leben hat gute und schlechte Seiten. So kommt es, dass man in einer sehr glücklichen Phase nach Problemen sucht, weil man die Unterschiede für sich selbst braucht.
Das Bemerkenswerte an Ihren Liedern ist, dass man in ihnen immer wieder Situationen erkennt, die man selbst schon einmal erlebt hat. Wie kommen Sie auf die Texte?
Die kommen aus dem Leben. Vom Zuhören, Beobachten, Unterhalten. Wenn man über sich selbst und andere Menschen nachdenkt, dann sieht man diese Geschichten. Gerade die kleinen Unzulänglichkeiten oder Dinge, die in scheinbar perfekten Situationen schief laufen, machen es spannend. Das ist der Stoff, aus dem meine Geschichten bestehen. Oft sind es auch Dinge, die sich viele nicht trauen auszusprechen und froh sind, dass es jemand anderes tut.
Sie haben also vieles schon selbst erlebt. Aber zum größten Teil werden die Texte von Frank Ramond geschrieben, oder?
Wir entwickeln alle Songs zusammen. Das muss auch so sein, wenn man seine Gedankenwelt in die Musik fließen lassen möchte. Unter Umständen ist es ein langer Weg zu einem fertigen Lied. Handwerklich konnte ich mich mit der Zeit immer mehr einbringen aber es war schon immer ein Portrait, wenn auch kein Tagebuch. Auch meine Komponisten Mathias Hass und Hardy Kayser sind bei der Ausarbeitung einer Textidee nah dabei. Meistens entstehen Kompositionen und Melodien erst nach dem ein grobes Raster vom Text fertig ist, ein Wortspiel zum Beispiel oder eine Geschichte. Aber eine Melodie kann auch zu einem Text inspirieren.
Bei dem Lied „Rosenkrieg“ singen Sie von Männern, die ihren Frauen Rosen schenken, nach dem sie sie betrogen haben. Auf wessen Erfahrungen beruht das – Ramonds oder ihren eigenen?
Musikalisch und inhaltlich erfinde ich das Rad nicht neu. Das sind alltägliche Weisheiten. Eine solche Szene kenne ich z. B. aus so vielen Filmen. Woody Allen ist ein Meister solcher Beziehungsdramen. Es ist die musikalische Umsetzung und die sprachliche Ästhetik, die diese Situationen auf besondere Art und Weise einfangen.
Ihren Texter Frank Ramond haben Sie auf einer Party kennen gelernt und wenn man Ihrer Single glaubt, spielte Prosecco auch bei Ihrem Plattenvertrag eine nicht unwesentliche Rolle.
Weitergesponnen natürlich. Partys sind eben auch Gelegenheiten, um sich kennen zu lernenVor allem in der Musikbranche und Prosseco trinke ich seit eh und je. Ich bin nun mal keine Champagner-Trinkerin. Dieser Schlachtruf „Das wäre alles nie passiert“ ist übrigens auf Mallorca entstanden. Da war ich mit meinen Jungs und habe angefangen für das „Optimale Leben“ zu schreiben. Das war so unser Spruch am nächsten Tag. (lacht)
Sie klingen in Ihren Liedern immer so stark. Hatten Sie schon mal Liebeskummer?
Natürlich. Ich wäre nicht so, wie ich bin, hätte ich nicht auch schon mal Verluste erlebt. Das prägt einen Menschen und macht auch seinen Charakter aus. Immer nur zu gewinnen ist nicht gut. Ich hatte jede Situation schon: Ich war die Verletzte und auch die Verletzende. Das gehört dazu.
Sie sind seit drei Jahren verheiratet. Haben Sie Tipps für Ehepaare, damit es denen nicht so ergeht wie in Ihrem Lied „Wenn man sich nicht mehr liebt“?
Ich bin keine Psychologin, aber ich denke, der Respekt und die Achtung dürfen nicht verloren gehen. Ich merke, dass ich unzufrieden werde, sobald ich mich zu sicher fühle. Viele Menschen lassen sich dann gehen und tun einfach nichts mehr für die Liebe. Wenn ich mir nach Jahren noch klarmache, dass ich mir nicht alles erlauben kann, weil sonst der Partner irgendwann weg ist, das könnte ein Rezept sein.
Haben Sie ein Lieblingslied auf Ihrem neuen Album?
Schwer zu sagen. So etwas verändert sich immer wieder, besonders während der Tour. Ich bin eigentlich eher der emotionale Part in unserem Team und mag deshalb die Balladen am meisten. Frank hat dagegen eine Vorliebe für humorvolle Pointen. Ein Song, der so arrangiert und produziert worden ist, wie ich es mir vorgestellt habe und noch besser, ist „Was haben wir gesucht“.
„Schweinehund“ haben Sie mit den Prinzen aufgenommen? Ist das noch so eine Art Verbindung zum Osten? Immerhin sind Sie bis zu Ihrem 12. Lebensjahr in Schönhausen, in Sachsen-Anhalt, aufgewachsen.
Ich hatte bei diesem Lied die Assoziation für einen Männerchor und es gibt in Deutschland dafür einfach kaum bessere Chor-Sänger als die Prinzen. Der Song hat auch so einen gewissen Charme, den die Prinzen mit ihrem Stil vertreten. Das hat sofort gepasst. Wir kannten uns aber vorher nicht.
Am 30. November kommen Sie nach Halle zu einem so genannten Warm-Up-Konzert. Gibt es Unterschiede zu den darauf folgenden Konzerten?
Es ist schon so, dass wenn man ein zwei- bis zweieinhalb-Stunden-Programm aufbaut, dann gibt es in den ersten drei Konzerten immer noch kleine Veränderungen. Das dürfen die Fans nicht übel nehmen. Im Gegenteil, denn das ist auch spannend, auch für uns. Wir betrachten die Show intensiver. Ob die Reihenfolge perfekt ist, erfährt man erst durch das Feedback des Publikums.
Sie sind nicht zum ersten Mal in Halle. Haben Sie Erinnerungen an andere Konzerte hier?
Ich habe allgemein ganz positive Eindrücke von Konzerten hier in der Gegend. Das ostdeutsche Publikum ist sehr aufmerksam, was meiner Musik zuträglich ist. Man muss das aber nicht auf bestimmte Städte reduzieren. Jede hat seine eigene Mentalität. Es ist wunderbar, wenn man eine Stecknadel fallen hört. Man muss sich das erarbeiten und es ist etwas sehr schönes, wenn man merkt, man kriegt sie langsam.
Ich bin gern in Halle. Das erste Mal habe ich hier in einem wunderschönen, kleinen Theater gespielt. Aber selbst wenn wir in einer Stadthalle auftreten, können wir das Wohnzimmer reinzauberm, um das Verhältnis zum Publikum zu intensivieren.
Bei Ihren männlichen Kollegen fliegen nicht selten BHs auf die Bühne. Was fliegt bei Ihnen?
Unter Umständen manchmal Rosen. Aber das ist bei mir auch was anderes, denn dadurch, dass in meinen Konzerten alle sitzen, ist die Atmosphäre etwas zurückhaltender.
Sie haben mal gesagt, Sie haben aufgehört nach ihrem Namen zu googeln. Dann werden Sie wahrscheinlich nicht wissen, dass unter Ihrem Eintrag bei Wikipedia zwei verschiedene Geburtsdaten zu finden sind 1977 und 1979?
1979 stimmt. Ich habe zu Beginn meine Karriere gehört, ich wäre nicht mal alt genug, um das Lied „ Das Spiel“ zu singen. Es gab schon viele Gerüchte von 12 Jahren bis hin zu…ich weiß nicht. Einigen wir uns doch auf 44 (lacht).
Aber mal im Ernst. Das Image der kleinen blonden Lolita werden Sie nicht ewig aufrechterhalten können.
Das habe ich auch noch nie versucht. In dieser intensiven Form ist es mir doch eher angehängt worden. Das ist aber auch in Ordnung, denn die Medienwelt funktioniert so. Schublade auf, die Attribute, blond, klein, große Augen rein. Das Spiel war eigentlich mehr ein Spiegel, den ich den Leuten vorgehalten habe, denn ich kannte diese Reaktionen schon vorher aus meinem Privatleben.
Ich habe mich nicht umoperieren lassen. Ich sah auch früher schon so aus, hatte diese Stimme und diese Ausstrahlung. Das habe ich benutzt und in meiner Musik verarbeitet. Natürlich läuft mir die Lolita noch hinterher, aber irgendwann wird die Natur einen Strich durch die Rechnung machen. Meine Lieder haben es schon lange getan.
Ich könnte mir vorstellen, dass sich vor allem Männer für die Zukunft von Ihnen ein Hörbuch wünschen. Zum Beispiel ein erotisches. Das würde doch gut zu Ihrer Stimme passen?
Dann würde ich es gerade deswegen nicht machen. Nein, das weiß ich noch nicht. Meine Stimme ist so polarisierend. Es gibt Leute, die sie hassen und Leute, die sie lieben.
Mit 20 wollte ich auch noch so klingen, wie Aretha Franklin. Irgendwann merkt man aber, dass man nicht die Kopie von irgendetwas sein möchte, sondern das Original. Dann wird man selbstbewusst und sucht nach dem, was einen so speziell macht, wie die Stimme. Das bedeutet aber auch Blöße, weil das, was anders ist, erstmal nicht für gut befunden wird. Aber manchmal eben doch und dann ist es eine riesen Chance. Und das mit meiner Stimme, das ist wirklich Ansichtssache. Aber ein erotisches Hörbuch? Ich glaube nicht (lacht).