Indonesien pocht auf sein Kulturerbe Batik-Hemd
Jakarta/dpa. - Kein Staatsakt, keine offizielle Feier und kein festliches Dinner in Indonesien ohne die wichtigste Zutat: das Batik- Hemd für den Herrn.
Meist wild bunt und groß gemustert, mit Blumen, Vögeln, Punkten, Karos und Rauten, und wenn es geht, vom Feinsten: edle Seide, die in stundenlanger Handarbeit bemalt, gewachst, gefärbt und gewaschen wird - von beiden Seiten, versteht sich. Batik ist für den Indonesier wie das Dirndl für die Bayerin. Die Regierung will Batik nun auf die UNESCO-Liste «immaterieller Kulturgüter» eintragen lassen. Über den Antrag wird im September entschieden.
Am Rand von Jakarta liegt hinter einem rostigen Eisentor und einem Hinterhof voller Autoreifen ein kleines Batik-Atelier. Hier sitzen acht, neun Frauen auf kleinen Schemeln, tief gebeugt über meterlange Stoffbahnen in ihrem Schoß. In der Mitte steht auf einem Öfchen eine große Pfanne mit flüssigem Wachs. Daraus schöpfen die Frauen von Zeit zu Zeit. Sie füllen eine kleinen Kupferkanne mit Bambusgriff und langer Tülle mit winziger Öffnung. Damit malen sie dann auf dem Stoff teils winzige vorgezeichnete Muster nach. Meter für Meter. Sie reden wenig und nur gedämpft. Die Arbeit erfordert höchste Konzentration.
«Batik gehört zur Seele des Volkes», sagt der Batik-Papst Nursjirwan Tirtaamidjaja, besser bekannt als Iwan Tirta. Der 75- Jährige ist der bekannteste Designer im Land. «Batik ist beeinflusst von indonesischer Kunst, Musik, Legenden, Religion und Tanz», sagt er. «Es ist nicht einfach: Wachs auf Stoff.» Dem Verband der Batik- Kooperativen (GKBI) sind billige Importe aus China ein Dorn im Auge. «Das kann den heimischen Markt in Gefahr bringen», meinte ein Vertreter. Der Verband verlangt einen Importstopp.
In der Werkstatt wird der gewachste Stoff von zwei Männern in gelben Gummistiefeln durch eine lange, schmale Wanne zum Färben gezogen. Wenn die Tönung stimmt, kommt der Stoff in einen dampfenden Bottich mit zwei Metern Durchmesser. Unter dem Bottich liegen dicke Holzstücke, die das Wasser erhitzen. Ein Mann steht auf dem Rand und rührt den Stoff wie mit einem überdimensionalen Kochlöffel um. Am Rand liegen dicke Wachsklumpen, die aus den Bottichen gekratzt werden, wenn das Wasser abgekühlt ist. Es riecht nach Kerzen hier. Über die Frauen ziehen Wasserdampfschwaden.
Tirtas Haus in einem vornehmen Vorort von Jakarta ist wie ein Museum. Türen und Raumteiler mit aufwendigen Holzschnitzereien, Kommoden mit schwerem, verzierten Porzellan, große Bilder von Würdenträgern längst vergangener Zeiten - in Batik, natürlich - und davor eine Schaufensterpuppe, die einen Stoff im Tirta-Design umgeschlungen hat. «Mich inspiriert alles», sagt der Meister. «Musik, Holz, Blumen, Bücher.» Jeder Art: «Ich lese alles: von der Weimarer Verfassung über die Zeitschrift «Vogue», Porno und Kochbücher.»
Sein Interesse an Batik erwachte während seiner Studienzeit in den Niederlanden. «Ich stellte fest, dass ich von westlicher Kultur mehr verstehe als von meiner eigenen», sagt er. Er kehrte zurück und widmete sich der historischen Batik-Forschung. 19 der 33 Provinzen haben eigene Motive. Für jeden Status, jedes Alter und jede Gelegenheit gibt es eigene Muster.
Wenn Tirta einen seiner Stoffe durch seine Hände gleiten lässt, lächelt er zufrieden. «Ich war nie am großen Geschäft interessiert», sagt er. «Ich will nicht jeden Taxi-Fahrer in meinen Designs sehen, meine sind eher die Rolls-Royce oder Mercedes der Batik.» Seine Hemden kosten 3,5 Millionen Rupien - rund 250 Euro.
«Eine gute Batik hat snobistischen Reiz: Sie ist von beiden Seiten gewachst und gefärbt - auch wenn das nur der Träger weiß. Das ist so wie bei der japanischen Braut, die zwölf Schichten Seide trägt - man sieht es nicht, aber sie ist sich dessen bewusst», sagt er.
Die UNESCO hat auf ihrer Liste der «Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Kulturerbes» schon rund 100 Einträge, darunter den Karneval von Binche in Belgien, die Tenorgesänge der Schäfer auf Sardinien, den Samba de Roda aus Brasilien und das Kankurang Initiationsritual aus Gambia und Senegal. Indonesien ist bereits mit dem Kris-Dolch und dem Marionettentheater Wayang vertreten. Tirta sieht in der Eintragung auf der Liste eine Anerkennung von Batik als Kunst. Die Bemühungen der Regierung, Batik als «kreative Industrie» zu etablieren, sind ihm ein Graus. «Kreativ und Industrie, das passt gar nicht zusammen», sagt er.