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"Ich war ein Spätzünder" "Ich war ein Spätzünder": Anke Engelke über Pubertätsnöte Rap und nervige Rollenmodelle

05.09.2018, 09:00
Schauspielerin Anke Engelke als Mutter in „Das schönste Mädchen der Welt“
Schauspielerin Anke Engelke als Mutter in „Das schönste Mädchen der Welt“ Nadja Klier/TOBIS Film GmbH

Köln - Anke Engelke ist zurück. Von Donnerstag an ist die in Köln lebende Komödiantin, Schauspielerin und Entertainerin in Aron Lehmans Filmkomödie „Das schönste Mädchen der Welt“ zu erleben. Der Streifen ist eine witzige Cyrano de Bergerac-Adaption: Der Außenseiter Cyril (Aaron Hilmer) versucht Roxy (Luna Wendler), das coolste Mädchen auf Erden, zu beeindrucken - auch wenn er sich seiner großen Nase schämt und seine künstlerische Begabung deshalb einem anderen Mitschüler andichtet. Anke Engelke spielt Cyrils Mutter. Mit der 52-Jährigen sprach Frank Olbert.

Frau Engelke, können Sie sich erinnern, wie das war, als Sie „Pubertät hatten“, so wie ihr Filmsohn? Oder wollen Sie lieber nicht darüber reden?
Anke Engelke: Doch doch, klar, aber erwarten Sie bitte keine Hammerstory, denn ich war weder extrem dauergenervt, noch extrem dauernervig. Das war wirklich Doppelglück: Ich war ein Spätzünder und gehörte zu einer sehr harmlosen Mädchenclique. Mit 13 habe ich gar nicht gerafft, warum manche Klassenkameradinnen Ärger zu Hause hatten, meine wilden Jahren kamen erst, als ich aus der Schule raus war.

Die Idee des Films ist ja, die alte Cyrano-de-Bergerac-Geschichte ins „Fack Ju Göhte“-Zeitalter zu katapultieren. Was hat Sie daran gereizt, die Rolle zu übernehmen?
Engelke: Ein klassischer Dreisprung: der Name Aron Lehmann, das Buch, die Rolle. Aron Lehmanns Filme mag ich sehr, besonders „Kohlhaas“, das Buch fand ich rührend und schön beknackt, und diese Mutter wollte ich unbedingt sein: Anja ist supertolerant, warmherzig, bodenständig. Und die Nase wollte ich haben. Ich sehe gern anders aus als zu Hause.

Glauben Sie eigentlich, dass bestimmte Motive und Probleme zeitlos sind und bleiben, so wie der Komplex, den Cyrano de Bergerac wegen seiner großen Nase hat?
Engelke: Ja klar. Das hat ausnahmsweise mal nix mit dem Social-Media-Phänomen Schönheits- beziehungsweise Perfektionsdruck zu tun, ich kam in der Schule ja auch in eine Schublade. Ich war immer die Kleinste. Aber heute wie damals liegt es an den Eltern, solche Automatismen einzuordnen durch ein liebevolles Auffangen und Wertschätzen.

Die Mutter, die Sie spielen, ist ziemlich freizügig, auch was Sexualerziehung angeht - der Sohn hingegen gar nicht. Hat sich da was verändert: Die jüngere Generation ist verklemmter als die der Eltern?
Engelke: Das weiß ich nicht, bin ja keine Spezialistin. Mein Eindruck ist, dass es immer diese Extreme gab und geben wird. Bei den Premieren des Films sind wir ja auch einer wilden Mischung Jugendlicher begegnet, da war alles dabei: laute Hotpants-Mädchen, vulgäre Protztypen, stille Mäuse, eloquente Labersäcke. Gute Mischung, alles gut, alles normal.

Mögen Sie Rap oder können Sie zumindest nachvollziehen, welche Faszination er auf Jugendliche ausübt?
Engelke: Nee, Rap ist nicht meine Lieblingsrichtung, dafür mag ich Gesang zu sehr. Ein paar Ausnahmen gibt es, manchmal mag ich Rap, aber ich fühle mich sofort, als dürfte ich ein sehr gutes Buch lesen, müsste aber zugleich sehr sehr hoch hüpfen. Die Faszination kann ich aber total nachvollziehen, klar, ist ja super, wenn Grenzen wegfallen, die Gesang und Melodie vorgeben.

Finden Sie, dass Roxy, die ziemlich cool und unabhängig ist, ein gutes Rollenmodell für junge Frauen heute darstellt?
Engelke: Ehrlich gesagt überfordert mich das immer mehr, Rollenmodelle zu erkennen oder zu definieren. Wenn Roxy noch etwas wütender und aggressiver wäre, würde sie mich wahrscheinlich extrem nerven. Aber sie hat manchmal einen so guten Instinkt, sie hat ein riesengroßes Herz, das ist natürlich wunderbar.

Ist es eine Gratwanderung, einen Film wie „Das schönste Mädchen“ zu drehen: Einerseits Komödie, auch mit überdrehten Einfällen, andererseits gibt es ernste Anliegen, zum Beispiel das, den Mut zu haben, die Maske abzulegen - wortwörtlich, denn die Hauptfigur Cyril verbirgt ja sein vermeintlich hässliches Äußeres hinter einer solchen?
Engelke: Könnte man denken, ja, aber Aron Lehmann hat das irgendwie geschafft, oder? Bei den platten Pimmelwitzen verdrehe ich kurz die Augen, und zack kommt von irgendwo ein unglaublich schöner kluger Satz oder Gedanke oder Blick und ich bin wieder überrascht. Ich werde den Film noch ein paar Mal sehen und werde immer wieder neue Entdeckungen machen. So müssen gute Filme sein. (mz)